Startups in Mecklenburg-Vorpommern: Wie gründerfreundlich ist unsere Region?

Entlang der Ostsee, rund um die Seenplatte und durch weite Felder hindurch wirkt Mecklenburg-Vorpommern auf den ersten Blick nicht wie der Nährboden für eine dynamische Gründerszene. Jahrzehntelang galt das nordöstlichste Bundesland als wirtschaftlicher Nachzügler mit hoher Abwanderung, wenig Industrialisierung und begrenzter Innovationskraft. Doch das Bild beginnt sich zu wandeln.
Während Ballungsräume wie Berlin längst unter ihrer eigenen Dichte ächzen und in München Büroflächen fast schon als Luxusgut gelten, entsteht im Norden ein stilles Gründungswunder.
Gründen an der Küste, auf dem Land und in kleinen Städten
In der Vergangenheit spielte MV auf der nationalen Gründungskarte eine eher blasse Rolle. Die Zahl der Unternehmensneugründungen blieb gering, das öffentliche Interesse überschaubar. Inzwischen aber entwickelt sich etwas. Zwar liegt das Bundesland im bundesweiten Vergleich weiterhin im unteren Drittel, doch erste Impulse setzen sich durch. Medien greifen zunehmend Startup-Themen aus der Region auf, Veranstaltungen verzeichnen steigende Teilnehmerzahlen und der politische Wille zur Förderung unternehmerischer Eigeninitiative wird konkreter.
Viele Gründungen verlaufen jedoch immer noch unterhalb der öffentlichen Wahrnehmungsschwelle. Die mediale Aufmerksamkeit konzentriert sich nach wie vor auf die Großstädte, und digitale Geschäftsmodelle stoßen in MV oftmals auf technische Begrenzungen.
Funklöcher, schleppender Glasfaserausbau und langsame Verwaltungsprozesse dämpfen mancherorts den Elan. Allerdings lässt sich nicht mehr pauschal behaupten, MV sei ein digitales Entwicklungsland. In den vergangenen Jahren wurden entscheidende Schritte gegangen, die den Nährboden für neue Geschäftsmodelle bereiten.
Digitalisierung in MV – strukturelle Herausforderungen bleiben
Digitalisierung in MV ist ein Kapitel mit vielen Seiten. Während einige Regionen digital hervorragend aufgestellt sind, fehlt anderen noch immer der Anschluss. Der Ausbau von Glasfaser- und Mobilfunknetzen geht schleppend voran, und so mancher ländliche Ort kämpft noch mit instabilen Verbindungen.
Regulierte Zukunftsbranchen wie Glücksspiel oder FinTech stehen zusätzlich vor hohen Einstiegshürden. Aufgrund der geleisteten Vorarbeit in Sachen Digitalisierung müssen Spieler dort momentan keine Einschränkung hinnehmen und können das ganze Angebot sicher nutzen. Datenschutz, technische Standards und branchenspezifische Auflagen erfordern spezialisiertes Wissen und das ist vor Ort nicht immer leicht zu finden.
Gleichzeitig entstehen auch hier kreative Lösungen wie Remote-First-Modelle, flexible Teamstrukturen und Kooperationen mit urbanen Dienstleistern. Projekte wie die digitale Plattform Klarschiff zeigen, dass MV auch digitale Verwaltung kann, wenn politischer Wille, technische Expertise und Nutzerorientierung zusammenkommen. Aber die Dynamik dieser Beispiele müsste sich auf breiter Fläche wiederholen.
In welchen Regionen sich die meisten Startups ansiedeln und welche Potenziale es in der Fläche gibt
Eine dynamische Gründungskultur ist nicht gleichmäßig über das Land verteilt. Die Universität Greifswald etwa gilt als herausragender Katalysator für unternehmerisches Denken. Wissenschaftliche Exzellenz trifft hier auf Praxisnähe, unterstützt durch ein Netzwerk aus Hochschulen, Forschungseinrichtungen und innovativen Köpfen. Auch Rostock überzeugt mit seinem Fokus auf maritime Wirtschaft und medizinische Forschung als Grundlage zahlreicher Startups.
Weitere Schwerpunkte liegen in Schwerin und Wismar, wo das Technologie- und Gewerbezentrum Gründerinnen und Gründer unterstützt mit Büroflächen, Beratung und Netzwerkzugängen. In ländlichen Gegenden wie Nordwestmecklenburg oder im Raum Ueckermünde entstehen vor allem kleinere Gründungen, häufig in den Bereichen Nachhaltigkeit, Tourismus oder Digitalisierung des Handwerks.
In diesen Regionen wirken günstige Mieten, hohe Lebensqualität und ein gewisser Freiheitsgrad oft attraktiver als die städtische Reizüberflutung. Zwar ist der Zugang zu Kapital, Beratung und Fachkräften schwieriger, doch genau hier zeigt sich, dass Gründung nicht an Großstadtbedingungen gekoppelt sein muss. Ein Beispiel dafür ist Stella Breitzmann, die außerhalb etablierter Zentren ihr Unternehmen aufgebaut hat.
Warum ohne funktionierende Netzwerke kaum etwas gelingt und was MV inzwischen zu bieten hat
Startups gedeihen selten isoliert, denn sie benötigen Austausch, Unterstützung und Inspiration. Genau das ermöglichen regionale Netzwerke, die in Mecklenburg-Vorpommern immer stärker an Bedeutung gewinnen. Die Gründungswerft etwa ist ein Netzwerk mit inzwischen mehreren Regionalgruppen von Greifswald über Neubrandenburg bis Schwerin und hat sich zu einer aktiven Plattform für Wissenstransfer, Mentoring und Öffentlichkeitsarbeit entwickelt.
Regelmäßige Treffen, Pitches, Workshops und digitale Kommunikationskanäle wie Slack fördern nicht nur den Zusammenhalt, sondern auch das Vertrauen in die eigene Idee. Die Nähe zur Hochschule schafft zusätzliche Verbindungen, und auch Wirtschaftsförderer sowie kommunale Einrichtungen sind in vielen Fällen mit eingebunden.
Welche Startups aus MV bereits überzeugen konnten und was ihre Geschichten erzählen
Innovation lebt von Beispielen, die Mut machen. In Greifswald hat das Unternehmen Coldplasmatech bewiesen, dass Medizintechnik aus MV internationale Relevanz haben kann. Das Startup nutzt kaltes Plasma zur Wundbehandlung und wurde für seine Produkte mehrfach ausgezeichnet. Ebenfalls in Greifswald beheimatet ist Hytra.
SonoBeacon aus Rostock wiederum entwickelt Technologien zur akustischen Datenübertragung im Handel und in Museen, ein Segment mit weltweitem Potenzial. Diese Startups stehen stellvertretend für eine Gründergeneration, die sich bewusst für MV entschieden hat.
Auffällig ist die thematische Konzentration auf MedTech, GreenTech und digitale Lösungen. Die Kombination aus Forschungsnähe, hoher Spezialisierung und regionaler Verwurzelung schafft ein ideales Umfeld für nachhaltige Geschäftsmodelle.
Diese Fördermöglichkeiten bestehen
MV bietet eine breite Palette öffentlicher Unterstützungsangebote. Die Plattform GründerMV bündelt Informationen zu Finanzierung, Beratung, rechtlichen Fragen und Veranstaltungen. Programme wie der Europäische Sozialfonds Plus ermöglichen Coachings, Stipendien und Gründungsveranstaltungen, während die IHKs kostenfreie Beratungstage organisieren.
Trotzdem bleibt der Zugang zu Kapital eine der größten Baustellen. Venture Capital ist kaum vorhanden, Investoren mit regionalem Fokus sind rar und Business-Angel-Netzwerke schwer auffindbar. Zwar existieren Mikrokredite und landeseigene Fördermittel, doch spätestens beim Übergang von der Gründungs- in die Wachstumsphase wird es eng.
Startups, die skalieren wollen, stoßen häufig an strukturelle Grenzen, nicht wegen mangelnder Ideen, sondern aufgrund fehlender Finanzierungspartner. Wer wachsen will, muss oft früh den Kontakt zu Partnern außerhalb Mecklenburg-Vorpommerns suchen.
So verändert sich die Gründungskultur in MV
Unternehmerisches Denken ist nicht allein eine Frage von Infrastruktur oder Kapital. Es ist auch eine Frage der Haltung. In MV herrschte lange ein vorsichtiges Klima, geprägt von Sicherheitsdenken und einer gewissen Skepsis gegenüber Selbstständigkeit, doch diese Haltung verändert sich.
Junge Menschen, oft aus Hochschulkontexten, sehen in der Gründung eine ernsthafte Alternative zum klassischen Berufsweg. Netzwerke wie die Gründungswerft, aber auch sichtbare Vorbilder in der Region tragen maßgeblich dazu bei. Gründung wird nicht mehr als Sonderweg, sondern als Möglichkeit verstanden.
MV als Gründerstandort mit großen Potenzial
Das Fundament ist gelegt. Die Community wächst, Infrastruktur verbessert sich, Förderprogramme sind vorhanden. Doch um sich im Wettbewerb um Talente, Ideen und Investitionen zu behaupten, reicht das nicht. Es braucht mehr Mut zur Digitalisierung, bessere Sichtbarkeit für bestehende Erfolgsmodelle und vor allem gezielte Investitionen in Kapitalzugänge, Bildungspartnerschaften und regionale Innovationszentren. Mecklenburg-Vorpommern steht an einem Wendepunkt.