Der Getränkeverkauf mit Imbiss von Josef Herrmann und seiner Frau in Alt-Gaarz hilft seit 2018 eine Lücke zu füllen, die geschlossene Dorfläden und Gastronomie in der Region hinterlassen haben. Touristen, Einheimische, teils auch Vereine kommen übers ganze Jahr hierher. Sie kaufen Bier, Saft und Wasser oder kehren auf Kaffee und Kuchen oder eine Bockwurst ein. „Es ist immer schön, wenn die Leute da sind und man sich mit ihnen unterhalten kann“, sagt Josef Herrmann, der 1947 rund zwanzig Meter von seinem jetzigen Haus geboren wurde und auf ein abwechslungsreiches Arbeitsleben zurückblickt.
Der kleine Badestrand von Alt-Gaarz ist naturbelassen. Der Mensch hat hier am Ufer des Bergsees kaum etwas verändert, außer ein paar Holzbänke hinzustellen und einen Steg ins Wasser zu errichten. Was aber nun, wenn man nach einer Runde Schwimmen im Sommer oder einer Wanderung um den See im Herbst Durst auf ein Bier oder einen Kaffee verspürt, aber vergessen hat, etwas Derartiges einzupacken? Rettung verheißt ein Schild, das an einer Birke hängt und wo von Getränken, Kaffee und Kuchen, Bockwurst, Eis und Räucherfisch die Rede ist, erhältlich im Dorf, nur ein paar hundert Meter entfernt. Man folgt voller Hoffnung dem Wegweiser und landet tatsächlich beim Getränkeverkauf von Josef Herrmann und seiner Frau auf der Kastanienallee 4. „Geöffnet Dienstag bis Sonntag von 10 bis 13 Uhr und 15 bis 20 Uhr“ steht an der Tür und der Hinweis, dass man bitte klingeln möge, wenn zu den Öffnungszeiten niemand da sei. Das ist aber nicht nötig, denn der Betreiber selbst wischt drinnen die Tische ab, während seine Frau den Kaffee aufbrüht. Eine Tasse davon wird gleich vor einem stehen, begleitet von einem Stück köstlichen selbstgebackenen Quarkkuchens. Josef Herrmann unterhält sich mit einem Gast aus dem Dorf über dessen Räucherfischbestellung – Saibling und Forelle bietet er an. Der 76-jährige kennt die meisten Leute aus dem Ort, ist er doch nur rund zwanzig Meter von hier geboren und hat einen großen Teil seines Lebens in Alt-Gaarz verbracht.
„Ich bin hier aufgewachsen, habe die Schule besucht und eine Lehre im Handwerk absolviert“, berichtet er. 1976 ging er dann für die obligatorischen anderthalb Jahre zur Nationalen Volksarmee und wechselte danach zum Forstbetrieb Waren, holte dort seinen Abschluss der zehnten Klasse nach und wurde Meister. Später war er bei der Oberförsterei Malchow tätig und leitete dort den Holzeinschlag, der mit schwerer Technik durchgeführt wurde. 1986 fing er beim Ausformungsplatz Malchow an, in der Holzindustrie. Nach der Wende führte Josef Herrmann sein eigenes Holzunternehmen. 2018 ging er in den Ruhestand. „Von der Rente hätten meine Frau und ich gut leben können. Aber viele im Dorf wünschten sich einen Getränkehandel hier. So starteten wir in kleinem Maßstab, besorgten ein paar Getränke und stellten ein Schild auf.“ Bei der Erinnerung daran lächelt Josef Herrmann in sich hinein. Denn der Sommer des Jahres der Gründung, 2018, sollte sehr heiß werden – damit waren die Getränke, die er beim Großhandel geholt hatte, stets in wenigen Tagen ausverkauft. Die Bockwurst mit Brot bot er von Anfang an ebenfalls an. Wenig später erweiterte seine Frau das Repertoire um Kaffee und Kuchen. Der Laden mit der Kasse, dem Tisch und den Stühlen befindet sich im hinteren Teil des Hauses, das den Herrmanns gehört und wo sie auch wohnen. „Früher war hier die Garage für die Betriebsfahrzeuge untergebracht. Ich habe den Raum ein wenig umgestaltet und Fenster eingebaut“, erzählt der Besitzer. In der warmen Jahreszeit können die Besucher zusätzlich draußen an Tischen sitzen oder in der Laube mit dem Schild „Herrmannplatz“, umkränzt von Trauben, aus denen Josef Herrmann im Herbst Wein macht. „Wir haben zu einer Zeit eröffnet, als hier im Umkreis reihenweise die Dorfläden dichtmachten. Sogar hier in Alt-Gaarz gab es mal einen! Auch viele gastronomische Einrichtungen in der Region haben nach und nach geschlossen – dass kürzlich in Neu-Gaarz wieder eine aufgemacht hat, ist eher die Ausnahme.“ Zu Josef Herrmann kommen Touristen und Einheimische, unter ihnen diejenigen, die in der Landwirtschaft arbeiten, auch Verbände und Vereine aus der Gegend, wie die „Landfrauen“ aus Jabel. „Die Gäste von auswärts sagen oft: Wenn es so etwas bei uns gäbe, wäre es überfüllt.“ Etwa zwanzig Plätze kann Herrmann anbieten. Die Gruppen nicht mitgerechnet, finden pro Tag durchschnittlich fünf bis zehn Leute den Weg zu ihm. Das reicht ihm. Großen Profit will und muss er nicht generieren. Werbung macht er auch nicht. Daher liegt der Wert, der auf den Bierkästen oder den Flaschen steht, meist nah am Einkaufspreis. Insider wissen im Übrigen, wie sie sich bezüglich der Biere orientieren müssen: „Unten stehen die für kleines Geld, oben die für großes Geld“, verrät Josef Herrmann.
Der Getränkeverkauf mit Imbiss hat das ganze Jahr über jeden Tag geöffnet – außer Montag. „An diesem Tag müssen wir unsere Waren einkaufen.“ Was die Mittagspause von 13 bis 15 Uhr angeht, ist Herrmann flexibel: Kommen in dieser Zeit Radler an, die noch etwas trinken möchten, ist das meist kein Problem. „Ich bin ja ohnehin oft hier im Garten, wo ich mich unter anderem den Sonnenblumen widme, die ein Hobby von mir sind.“ Josef Herrmann freut sich schon wieder auf den Frühling, wenn im Garten hinter dem Haus alles grünt und blüht und Hummeln und Bienen anzieht. Bis dahin setzt er auf den starken Ofen im Verkaufsraum und den Glühwein, den er bald besorgen wird. Für Gruppen hält er auch eine finnische Holz-Rundhütte mit einem Feuerabzug in der Mitte vor. Egal zu welcher Jahreszeit – Gäste sind immer willkommen und werden umsorgt. „Es ist einfach schön, wenn die Leute kommen und man sich mit ihnen unterhalten kann.“