Andere Regionen Deutschlands sind massiv von Hochwasserereignissen und deren Auswirkungen betroffen. In Mecklenburg-Vorpommern ist die Lage noch nicht bedrohlich, aber angespannt, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Dr. Till Backhaus heute auf einer Pressekonferenz an Elbe in Boizenburg, wo er sich gemeinsam mit Ministerpräsidentin Manuela Schwesig ein Bild von der Lage machte.
„Wir beobachten mit großer Aufmerksamkeit die Wasserstandsentwicklung an unseren Fließgewässern, insbesondere an der Elbe. Aktuell können wir für unser Bundesland glücklicherweise sagen, dass es keine akute Gefahrensituation gibt. Die Pegel im Land weisen zwar zum Teil bereits erhöhte Wasserstände auf. Für uns ist in der Vorausschau aber immer wichtig, ob es zum Überschreiten von Alarmstufen an unseren Pegeln kommt und damit Aktivitäten der Hochwasserabwehr oder -bekämpfung eingeleitet werden müssen. Die Wettervorhersage für MV lässt nach aktuellem Kenntnisstand aber keinen weiteren deutlichen Anstieg der Wasserstände erwarten“, erklärte Backhaus. Bei der Einschätzung der Lage spielen die Wasserstandsvorhersagen der gemeinsamen Hochwassermeldezentrale der Flussgebietsgemeinschaft Elbe, deren Berechnungsmodelle ständig an die veränderten Fließbedingungen aufgrund von umgesetzten Hochwasserschutzmaßnahmen angepasst werden, eine wichtige Rolle.
Durch die ergiebigen Niederschläge insbesondere auch in den letzten zwei Tagen führen die meisten Fließgewässer Hochwasser. Das Sturmhochwasser in der Ostsee erzeugt zusätzlich in den Zuflüssen einen Rückstau. Die küstennahen Pegel von Hellbach, Schmarler Bach, Warnow, Recknitz und Saaler Bach liegen z.T. deutlich über dem mittleren Hochwasser. An der Peene in Anklam wurde der Richtwasserstand für Alarmstufe I heute am Morgen erreicht. Das Erreichen des Richtwasserstandes der Alarmstufe II wird momentan nicht erwartet. Daher wird die Alarmstufe I nicht ausgerufen. Die Pegelstände im Oberlauf und im Einzugsgebiet stagnieren auf hohem Niveau. Für die Warnow ist am Pegel Bützow nach aktueller Einschätzung der Hydrologen nicht mit einem Überschreiten der Alarmstufe 1 zu rechnen. Angesichts der hohen Wasserstände bittet der Minister landesweit um erhöhte Vorsicht, da die Fließgeschwindigkeiten lokal recht hoch sein können. In tiefliegenden unbebauten Bereichen wird es auch zu Ausuferungen kommen. Auf Grundlage der Wettervorhersage ist in den nächsten Tagen nicht mit einem weiteren Anstieg zu rechnen.
Die Situation an der Elbe macht es hingegen notwendig, die Lage weiter akribisch zu beobachten, sagte Minister Backhaus weiter.
Nachdem der Wasserstand am Pegel Dresden bereits unter die Marke der Alarmstufe 1 abgesunken war, steigt er nun wieder aufgrund der im tschechischen Elbeeinzugsgebiet registrierten erneuten Anstieg Wasserführung. Dies ist auch an den weiteren sächsischen Pegeln Schöna, und Riesa zu beobachten. Nach der derzeitigen Vorhersage erreichen die Wasserstände dort heute und in den kommenden Tagen die Alarmstufe 2. Es ist für Mecklenburg-Vorpommern jedoch nicht damit zu rechnen, dass sich daraus höhere Wasserstände als durch die momentan ablaufende erste Welle ergeben. Der langgezogene Hochwasserscheitel der ersten Welle befindet sich derzeit unterhalb von Wittenberge. Heute wird er Dömitz passieren.
Der Alarmpegel für MV in Dömitz zeigt aktuell (Stand: 4.01.23) einen Wasserstand von 558 cm. t Die Marke der Alarmstufe 1 liegt bei von 5,00 Meter wurde bereits überschritten. Das mittlere Hochwasser liegt hier bei 438 cm. Der höchste jemals gemessene Wasserstand wurde mit 721 cm beim Hochwasser im Juni 2013 registriert.
Am Alarmpegel Boizenburg liegt aktuell ein Wasserstand von 558 cm an. Das mittlere Hochwasser liegt hier bei 437. Auch hier wurde der höchste jemals gemessene Wasserstand während des Hochwassers 2013 mit 732 cm am Pegel registriert. „Aufgrund der Vorhersagen und den bereits fallenden Wasserständen an den Pegeln oberhalb von Dömitz gehen wir davon aus, dass die Alarmstufe 2 in Dömitz und in Boizenburg nicht erreicht werden wird“, prognostizierte Minister Backhaus.
In den Bereichen Boizenburg und Dömitz sind alle Schöpfwerke des StALU WM in Betrieb und werden es auch noch eine Weile bleiben müssen, da die Schöpfwerke ab einem Wasserstand von 2,30 m am Pegel in Betrieb bzw. außer Betrieb gehen, wenn der Wasserstand unter diese Marke fällt. Das heißt, dass sich die Betriebskosten insbesondere für den Strom enorm erhöhen werden. Im vergangenen Jahr lagen allein die Stromkosten für die durch das StALU WM betriebenen Schöpfwerke bei rund 160.000 Euro. Durch dieses Hochwasserereignis rechnen wir mit Mehrkosten von etwa 60.000 Euro, in Abhängigkeit davon wie lange die Schöpfwerke auch aufgrund der zu erwartenden zweiten Welle noch laufen müssen.
Das Sude-Abschlussbauwerk ist geöffnet, d.h. dass die Sudepolder für das Zwischenspeichern von Wasser aus dem Einzugsgebiet noch nicht in Anspruch genommen werden müssen. Für Management der länderübergreifenden Flutpolder an der Sude hat das Land eine Verwaltungsvereinbarung mit Niedersachsen abgeschlossen.
Das Wehr Wehningen, das ein Einströmen der Elbe in die Löcknitz bei höheren Wasserständen verhindert und das bereits auf niedersächsischem Gebiet liegt, wird ebenfalls vom StALU WM auf der Grundlage einer Verwaltungsvereinbarung mit Niedersachsen überwacht und bedient. Aktuell ist es noch geöffnet und die Löcknitz kann noch frei in die Elbe abfließen. Die Wasserstände werden hier ständig beobachtet. In Abhängigkeit von der Entwicklung der Wasserstands- und Abflussverhältnisse wird über die weitere Bedienung des Wehres entschieden. Dieses Bauwerk wird in den nächsten Jahren modernisiert werden und den aktuellen Erfordernissen des Hochwasserschutzes und der Wasserrahmenrichtlinie angepasst werden. Aktuell läuft ein Planfeststellungsverfahren, an dem Mecklenburg –Vorpommern und Brandenburg beteiligt sind. Die derzeitige Hochwassersituation kann mit der vorhandenen Bausubstanz gut bewältigt werden.
Das Abschlussbauwerk an der Mündung der Doven-Elbe ist seit dem 29.12.2023 geschlossen. Das anfallende Wasser aus dem Binnenbereich wird nun in die Müritz-Elde-Wasserstraße geschöpft und fließt auf diesem Wege in die Elbe ab.
„Der Küsten- und Hochwasserschutzschutz sind eine Daueraufgabe, die nie abgeschlossen sein wird. Das heißt, hier besteht langfristig Bedarf an Personal und Geld, um diese Daueraufgaben bewältigen zu können“, betonte Minister Backhaus. Die Gründe für die regelmäßig wiederkehrenden Hochwasserwerte seien einerseits im Klimawandel zu suchen. Anderseits hätten die verstärkten Investitionstätigkeiten (Sanierung und Verstärkung der Hochwasserschutzanlagen) insbesondere nach dem Hochwasser vom August 2002 am Oberlauf der Elbe dazu geführt, dass mehr Wasser in kürzerer Zeit die Elbe hinuntergeflossen ist und für erhöhte Wasserständen bei den Unterliegern, wie Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, gesorgt hat.
„Deshalb freue ich mich, dass es gelungen ist, das Nationale Hochwasserschutzprogramm auf den Weg zu bringen. Mit diesem Programm wird es uns gelingen, den Oberlieger- Unterlieger- Ausgleich zu schaffen“, ist sich Minister Backhaus sicher. Das Programm sei durch die Umweltministerkonferenz als Reaktion auf die Hochwasserkatastrophe im Jahr 2013 beschlossen worden. Der Bund stellt jährlich über den Sonderrahmenplan „Präventiver Hochwasserschutz 100 Millionen Euro für Projekte des Nationalen Hochwasserschutzprogramms zur Verfügung. Mit diesen Mitteln werden ausschließlich Projekte finanziert, die regionalübergreifend wirken. Die größten Projekte an der Elbe befinden sich in Sachsen-Anhalt und Brandenburg, von denen die Unterlieger wie Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein profitieren. Hier ist beispielsweise die Optimierung der Havelpolder zu nennen, in denen auf einer Fläche von insgesamt 11.700 ha rund 125 Mio. m3 Wasser zwischengespeichert werden kann. Mit dem Havelschlauch ist es sogar möglich, bis zu 286 Mio. m3 Wasser zurückzuhalten, was zu einer Absenkung des Hochwasserscheitels bei den Unterliegern von bis zu 45 cm führten kann.
Für die Steuerung der Havelpolder hat das Land nach dem Hochwasser vom August 2002 mit den Ländern Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen einen Staatsvertrag abgeschlossen, um aktiv am Hochwassermanagement mitwirken zu können. Diesem Vertrag ist nun auch Schleswig-Holstein beigetreten.
In Mecklenburg-Vorpommern wurde unter Federführung des für die Hochwasserschutzanlagen an der Elbe verantwortlichen Staatlichen Amtes für Landwirtschaft und Umwelt Westmecklenburg (StALU) ein an den neuen Bemessungsabfluss angepasstes Hochwasserschutzkonzept erstellt. Die Umsetzung erster Maßnahmen im Bereich Dömitz, wie die Ertüchtigung Rüterberger Deiches ist abgeschlossen. Für die Sanierung des Brodaer Deiches läuft die Bauvorbereitung. Für die Verbesserung des Hochwasserschutzes Boizenburg mit den beiden Teilprojekten „Rückdeichung Hafendeich“ und „Neubau Sude-Hochwassersperrwerk“ ist das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen. Die Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses wird in Kürze erfolgen. Mit der Umsetzung dieser Projekte, die Teil der mit Niedersachsen programmierten Maßnahme des Nationalen Hochwasserschutzprogramms im Polder Boizenburg sind, werden rund 120 ha Überflutungsflächen freigelegt werden. Allein für die in MV geplanten Maßnahmen rechnen wird mit Ausgaben in Höhe von rund 40 Millionen. Euro
Für die Finanzierung des Hochwasserschutzprogramms zur Ertüchtigung der Anlagen auf das Bemessungshochwasser 1983, das mit der Sanierung des Deiches am Randkanal im Bereich Boizenburg 2015 seinen Abschluss fand, wurden rund 100 Millionen Euro aufgebracht.
Neben den Investitionen in die Verbesserung des Hochwasserschutzes gibt das Land jährlich rund 700.000 Euro Landesmittel für die Unterhaltung der rund 122 km Deiche an der Elbe und im Rückstaugebiet der Elbe aus. Aufgrund dieser regelmäßigen Unterhaltung befinden sich die Hochwasserschutzanlagen in einem guten und wehrfähigen Zustand, wie zuletzt auf den Herbstdeichschauen im Oktober 2023 festgestellt wurde.