Die Vorsitzende der vom Runden Tisch Ostseefischerei eingesetzten Leitbildkommission Frau Prof. Dr. Marie-Catherine Riekhof hat im Rahmen der zehnten und finalen Sitzung des Gremiums den Bericht über die Zukunft der deutschen Ostseefischerei an die Parlamentarische Staatssekretärin im BMEL, Claudia Müller, übergeben. Auf Basis der Feststellung und Bewertung vielfältiger und komplexer Rahmenbedingungen enthält der Bericht zwei Schwerpunkte: Die Entwicklung und Erläuterung eines Leitbilds für die deutsche Ostseefischerei für die kommenden 30 Jahre sowie Empfehlungen für eine Umsetzung durch ein Bündel von neun Maßnahmenpaketen.
„Die allgemeinen und auch meine Erwartungen an die Ergebnisse der Kommission waren angesichts der zuletzt dramatisch verschlechterten Rahmenbedingungen für die Fischerei in der Ostsee natürlich sehr hoch“, stellt der Minister für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt, Dr. Backhaus, fest. „Gäbe es allerdings einfache, naheliegende Lösungen, dann hätten Bund und Länder diese längst ergriffen. Es ging vielmehr darum, im Konsens der in der Fischerei tätigen und mit der Fischerei interagierenden, betroffenen Interessengruppen die für den offensichtlich erforderlichen strukturellen Wandel benötigten Leitplanken zu definieren und hieran angepasste Vorschläge für die Ausgestaltung der Anpassungsprozesse zusammenzutragen. Dies scheint erfolgreich gelungen zu sein, obwohl oder wohl auch, weil die Situation dringend Handlung erfordert. Die Ostseefischerei in all ihren Facetten bis hin zur Freizeitfischerei und den Wirkungen auf die Wirtschaft und Kultur an der Küste steht bekanntlich vor existenziellen Herausforderungen.“
Bei der Definition des Leitbildes waren wirtschaftliche, gesellschaftliche und umweltpolitische Anforderungen in Einklang zu bringen. „Die spiegelt sich in dem Dreisäulenmodell des Leitbilds wider, über das ein integratives Leitmotiv gespannt ist und welches von einem nachhaltigen Management getragen werden soll. Insoweit erkenne ich die bereits in der Zukunftskommission Landwirtschaft entwickelte moderne Herangehensweise wieder. Das Leitbild ist zugleich eine Zukunftsvision, eine Idealvorstellung aus heutiger Sicht und damit keinesfalls starr. Es gibt klare Rahmenbedingungen vor, an denen sich – hier vor allem fischerei-, aber auch allgemein wirtschafts- und umweltpolitische – Strategien des Bundes und der Küstenländer orientieren können und sollen“, schätzt der Minister ein. „Zugleich ist erkennbar, dass es Problemfelder gibt, die nur im Einklang mit den Politiken und Zielsetzungen der Europäischen Union gelöst werden können, wie beispielsweise die Modernisierung der Flotten unter energetischer Transformation oder die Ausdehnung auf alternative Wirtschaftsformen wie marine Aquakultur unter Einhaltung umweltrechtlicher Standards.“
Mecklenburg-Vorpommern hatte bereits Vorschläge entwickelt und an den Bund herangetragen, weil den Herausforderungen der nächsten Jahre mit Maßnahmen begegnet werden kann, die aus den Mitteln der so genannten Fischerei- und Umweltkomponenten nach dem Windenergie-auf-See-Gesetz finanziert werden können. Hier stehen Mittel zur Verfügung, die zielgerichtet und intelligent eingesetzt werden sollten, um die vielfältigen Transformationsprozesse zu begleiten, so der Minister.
Ein besonderes Problem für die berufliche Fischerei besteht in der Rekrutierung von Nachwuchs, damit der Berufsstand nicht innerhalb der nächsten zehn Jahre unter eine kritische Grenze zusammenbricht, bei der Erfahrung und Knowhow ganzer Fischergenerationen verloren gehen würden. „Fischer aus Mecklenburg-Vorpommern haben Ideen entwickelt, über die fachlich fundierte Erweiterung ihrer Tätigkeitsfelder auf ihrem ureigenen Terrain, dem Küstenmeer, ihre wirtschaftliche Basis zu konsolidieren – sie haben dafür den Begriff „Sea-Ranger“ auserkoren. Angesichts der Vorhersagen der Wissenschaft über die Entwicklungsmöglichkeiten der die Fischerei in der Ostsee klassisch tragenden Fischbestände scheint mir diese Diversifizierung, verbunden mit der Steigerung der Wertschöpfung aus dem Eigenfang, der einzig gangbare Weg, um Fischerei dann als Kernelement eines breiten Berufsfeldes mit einem angepassten, modernen, attraktiven Berufsbild zu erhalten. Auch die Freizeitfischerei stellt längst einen anerkannten Pfeiler der marinen Fischereipolitik dar, wird weiter an Bedeutung gewinnen und sollte von der Unterstützung im Sektor profitieren“, resümiert Dr. Backhaus.
Abschließend stellt der Minister fest: „Nunmehr wird sich der Runde Tisch Ostseefischerei auf Ebene der Staatssekretärinnen und Staatssekretäre des Bundes und der Küstenländer neuerlich zusammenfinden und beraten, welche der Maßnahmen unter Nutzung welcher Instrumente zu einem Bündel für die nächsten Jahre geschnürt werden. Hieran wird Mecklenburg-Vorpommern einerseits aktiv und gestaltend mitwirken, andererseits aber auch eigenständig tätig, vor allem soweit regionale Besonderheiten bestehen und dabei unter Nutzung der hier verfügbaren Instrumente des Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds.“
Hintergrund
Im Frühjahr 2022 beschloss der politische Runde Tisch Ostseefischerei auf Ebene der Staatssekretärinnen und Staatssekretäre des Bundes (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, BMEL) und der drei Küstenbundesländer (Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachen und Schleswig-Holstein), die „Leitbildkommission zur Zukunft der deutschen Ostseefischerei“ einzusetzen. Die Kommission hatte den Auftrag, in einem partizipativen Prozess ein Leitbild zu erarbeiten, wie die Zukunft der deutschen Ostseefischerei aussehen sollte. Außerdem sollte sie konkrete Maßnahmen vorschlagen, deren Umsetzung zur Erreichung dieses Leitbildes bestmöglich beitragen. Entsprechend des partizipativen Ansatzes waren Vertreterinnen und Vertreter der Fischerei- und Umweltverbände, der Wissenschaft, Verwaltung und der Gesellschaft Teil der Kommission. Die Kommission konstituierte sich im November 2022 und nahm umgehend ihre Arbeit auf. Mecklenburg-Vorpommern war dabei mit vier Vertretern aus der Fischerei und von der kommunalen Ebene sowie aus den beiden Fachbereichen Meeresschutz und Fischerei im Ministerium vertreten.