VNW-Direktor Andreas Breitner zur Klimaschutz-Bundesratsinitiative: „Schleswig-Holstein bleibt der echt teure Norden“
In der letzten Bundesratssitzung dieses Jahres will Schleswig-Holstein heute den Bund zu schärferem Klimaschutz drängen. Die schwarz-grüne Landesregierung plant, mit einem Antrag mehr Ehrgeiz im Kampf gegen die Erderwärmung einzufordern. Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) fordert im Gespräch mit der dpa, zusätzliche Schritte in den Bereichen Gebäude und Verkehr zu unternehmen.
Dazu erklärt Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW):
„Kiels Umweltminister Tobias Goldschmidt schlägt Alarm und merkt dabei nicht, dass sich der Wind inzwischen gedreht hat. Immer mehr Menschen sorgen sich um die hohen finanziellen Kosten einer überzogenen Klimaschutzpolitik.
Während in Berlin und Brüssel längst über entsprechende Anpassungen der Klimaschutzstrategie nachgedacht wird, will der Umweltminister keinen Fußbreit vom bisherigen Irrweg der Energiewende abweichen. Getreu dem Motto: ‚Klimaschutz um jeden Preis. Egal, was es die Menschen kostet!‘.
Klimaschutz und bezahlbares Wohnen gehören zusammen
Soziale Vermieter denken langfristig, sind also grundsätzlich daran interessiert, dass sie auch in 20 oder 50 Jahren ihre Wohnungen zu bezahlbaren Preise vermieten können. Deshalb investieren sie seit vielen Jahren Millionenbeiträge in die energetische Sanierung ihrer Wohngebäude.
Unsere Unternehmen wissen, dass Nichtstun keine Lösung der Herausforderung der Energiewende ist. Sie achten aber darauf, dass die Maßnahmen für mehr Klimaschutz am Ende die Mieterinnen und Mieter finanziell nicht überlasten. Klimaschutz und bezahlbares Wohnen sind zwei Seiten einer Medaille.
Kosten von 11,3 Billionen Euro
Die Agora-Energiewende beziffert bundesweit die Kosten zum Erreichen von Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 auf 11,3 Billionen Euro – also 11,3 und elf Nullen. In Schleswig-Holstein sind Experten zufolge Investitionen in Höhe von mindestens 100 Milliarden Euro notwendig, um den Wohngebäudebestand klimaneutral zu machen.
Unsere Unternehmen gehen davon aus, dass Klimaneutralität bis zum Jahr 2040 mindestens zu einer zusätzlichen Steigerung der Miete um bis zu 1 Euro/qm Wohnfläche führen wird. Eine Öko-Sonderumlage, die die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner zu zahlen haben. Der echt teure Norden.
Klimasozialplan kann helfen, ist aber kein Allheilmittel
Der ökonomische Zusammenhang zwischen Klimaschutz und Mietenentwicklung muss dem Umweltminister offenbar immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden.
Dass Minister Goldschmidt in dem Gespräch mit der dpa jetzt (wenigstens) einen Klimasozialplan erwähnt, ist vernünftig. Allerdings ist das kein Allheilmittel. Angesichts der schwierigen finanziellen Lage von Bund, Ländern und Kommunen muss man schon fragen, woher die Hunderte Milliarden Euro an öffentlicher Förderung kommen soll.
Pragmatismus ist unverzichtbar
Immer nur mehr öffentliches Geld zu fordern bzw. zu versprechen, wird dem Ernst der Lage nicht gerecht. Wir brauchen endlich mehr Pragmatismus bei der Energiewende. Dazu gehört zuallererst, dass sich das Land von seinem Ziel verabschiedet, Klimaneutralität bereits im Jahr 2040 erreichen zu wollen.
Das Pochen auf den bisherigen Klimaschutzzielen bedeutet, dass in Schleswig-Holstein weniger Zeit zum Erreichen zur Verfügung steht als auf Bundes- und Europaebene. Damit aber steigt im Land die Zahl der vorfälligen Sanierungen.
Es müssen Dächer erneuert sowie Heizungen und Fenster ausgetauscht werden, obwohl sie das Ende ihrer technischen Lebensdauer noch gar nicht erreicht haben. Dadurch erhöht sich der Anteil der Modernisierungskosten, die auf die Mieter umgelegt werden dürfen.
Keine potemkinschen Dörfer
Die hierzulande zunehmende Politikverdrossenheit speist sich auch aus den (unerfüllbaren) Versprechen der Politik. Deren erwartbares Scheitern stärkt am Ende lediglich die populistischen Kräfte. „Potemkinsche Dörfer“ helfen dem dringend notwendigen Klimaschutz nicht. Anstatt sich in eine Scheinwelt zu flüchten, ist es angezeigt, dass die Landesregierung den Klimaschutz im Land vom Kopf auf die Füße stellt.
Wir brauchen keine verschärften Klimaschutzziele, sondern im Alltag umsetzbare Regelungen vereinfachten Bauens. Die vielen guten Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung leiden unter dem wuchernden bürokratischen Dickicht genauso wie Vermieter, die Wohnungen bauen wollen. Ihnen die digitalen Hilfsmittel an die Hand zu geben, damit sie rechtssicher und rasch entscheiden können das wäre etwas, worauf die Landesregierung ihre Kräfte konzentrieren sollte.
Bau-Turbo nutzen
Der von der Bundesregierung angeschobene ‚Bau-Turbo‘ hat eine kleines Zeitfenster geöffnet, einen zeitlich befristeten Bypass, den Wust an Bauregeln zu umgehen. Anstatt das Bauen mit verschärften Klimaschutzregelungen (noch) teurer zu machen, sollte der Ministerpräsident seinen Fokus darauf richten, den Kommunen die Umsetzung des ‚Bau-Turbos‘ zu ermöglichen.