
Das Schulgebäude an der Teterower Chaussee am Rande Malchows wurde 2016 hundert Jahre alt und kann auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken. Nach der Festveranstaltung zum hundertsten Geburtstag entschlossen sich zwei mit der Schule verbundene Männer, Dieter Kurth und Ulrich Lange, die Historie des Hauses in einem Heft zur Malchower Stadtgeschichte zu veröffentlichen. „Wir hätten genug Material für ein Buch, wollen es aber so komprimieren, dass das zukünftige Heft auch als kurzer Abriss zur Erinnerung für ehemalige Schüler dienen kann“, sagen die beiden Autoren.
Auf alten Zeichnungen und Fotos sieht es wie ein Herrenhaus aus und wirkt heute noch beeindruckend auf den Besucher: das Schulgebäude an der Teterower Chaussee an der äußersten Peripherie der Inselstadt Malchow. Der Architekt Georg Roensch aus Berlin-Charlottenburg entwarf es nach dem Vorbild des Heidelberger Schlosses, so dass es viele „Kleines Malchower Schloss“ nannten, nachdem es 1916 fertiggestellt worden war. „Damals galt das Haus als schönstes Gebäude Malchows“, sagt Dieter Kurth, der ehemalige Stadtarchivar der Inselstadt. Er kennt den Schulbau gut: Von 1967 bis 1988 unterrichtete er dort Sport, Gesellschaftswissenschaften und Ackerbau. „Ich hatte eigens einen Fernstudiengang zum Diplom-Agraringenieur absolviert, um dort lehren zu können“, erzählt Kurth, der auch im Malchower Arbeitskreis Stadtgeschichte aktiv ist. Beides, die Lehrtätigkeit an der Schule und die Mitarbeit im Arbeitskreis, hat er mit Ulrich Lange gemeinsam. Lange, der heute als Nachtpädagoge an der Schule arbeitet, wirkte 1984 dort bereits einmal als Honorarlehrer. „Wir haben also beide eine Beziehung zu diesem Gebäude und sind fasziniert von seiner wechselvollen Geschichte, durch die sich ein roter Faden zieht: Es wurde immer für Bildung genutzt“, so Dieter Kurth und Ulrich Lange.

Heute trägt die Schule den etwas sperrigen Namen „Berufliche Schule zur Integration schulpflichtiger Jugendlicher in der Privaten Fachschule für Wirtschaft und Soziales gGmbH“ und bildet Jugendliche und junge Erwachsene zu Kinderpflegerinnen und Kinderpflegern aus. Doch nach ihrer Fertigstellung beherbergte sie zunächst – von 1916 bis 1949 - eine sogenannte Wirtschaftliche Frauenschule oder Landfrauenschule. Diese wurde am 31. Oktober 1916 eingeweiht und geht entscheidend auf die Initiative einer Frau zurück, die auch ihre erste Leiterin wurde: Camilla von Bescherer. „Da es Bildungseinrichtungen nur für Frauen in Deutschland und vor allem in Mecklenburg zu Beginn des 20. Jahrhunderts so gut wie nicht gab, war die Errichtung der Malchower Frauenschule schon etwas Besonderes“, heißt es im geschichtlichen Abriss zum hundertsten Geburtstag des Hauses. Die jungen Frauen wurden hier zunächst im „Maidenjahr“ auf eine hausfrauliche Tätigkeit vorbereitet und konnten sich ab 1929 darauf aufbauend zur Lehrerin für landwirtschaftliche Haushaltskunde ausbilden lassen. Die Landfrauenschule bestand offiziell auch während der Zeit von 1945 bis 1947, als das Gebäude als Lazarett für sowjetische Soldaten diente. Jedoch nicht mehr lange: „Nachdem ab dem Sommer 1952 die SED in der DDR den Beschluss fasste, Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) zu gründen, wurde die Landfrauenschule umgewandelt zur Fachschule für Landwirtschaft und zur späteren Agraringenieurschule“, liest man weiter im geschichtlichen Abriss über diese Zeit. Die inhaltlich neuen Schulformen sollten bis 1992 bestehen bleiben. Mit einem Alleinstellungsmerkmal: Malchow war die einzige Agraringenieurschule in der DDR, an der Agrartechnologen ausgebildet wurden. Mit der politischen Wendezeit veränderte sich auch die Landwirtschaft in der Region grundlegend, so dass die Bewerbungen für ein Landwirtschaftsstudium abnahmen und man neue Bildungswege erschaffen musste. Nach einer Übergangszeit gründete man im Jahr 1993 die Berufliche Schule Malchow für jugendliche deutsche Spätaussiedler, die sich vor allem an Aussiedler, Flüchtlinge und anerkannte Asylanten aus Osteuropa und den damaligen GUS-Staaten, den Staaten der einstigen Sowjetunion, richtete. Verschiedene Berufe wurden angeboten, unter anderem der des Tischlers, bei dem die Malchower Azubis bei Berufswettbewerben oft erfolgreich abschnitten. Durch politische Entscheidungen Mitte der Nuller Jahre wechselte die Zielgruppe der Schule zu Jugendlichen und jungen Erwachsenen der Region, die, wie beschrieben, nun eine Ausbildung auf dem Gebiet der Kinderpflege absolvieren.
Kein Wunder, dass bei diesen vielen Jahren wechselvoller Geschichte viel Material entstanden ist: Stapel von Akten im Stadtarchiv, die sich mit der Schule beschäftigen, alte Schulbroschüren und Jahreszeitschriften der Einrichtung, Kartons mit Unterlagen auf dem Dachboden der Schule, Papiere im Zentralarchiv der lokalen Agraringenieurschulen in Güstrow. Einen Großteil davon bearbeiteten Dieter Kurth und Ulrich Lange bereits vor der Festveranstaltung zum hundertsten Geburtstag der Schule im Jahr 2016 und schufen daraus den geschichtlichen Abriss. „Für den Teil von der Gründung bis 1989 war ich zuständig. Den Part bis 2016 hat Ulrich Lange übernommen“, berichtet Dieter Kurth. Auf Basis der Ergebnisse erschien damals eine achtteilige Serie in der „Müritz-Zeitung“ innerhalb des „Nordkuriers“ zur Historie des Gebäudes. Das Interesse, das dabei und bei der Festveranstaltung zu spüren war, beflügelte die beiden Autoren, die Geschichte der Institution auch in Form eines Hefts zur Malchower Stadtgeschichte zu veröffentlichen und dabei weitere Funde und die Daten für die Zeit zwischen 2016 und der Gegenwart einzubeziehen. Für die 50-er und 60-er Jahre und die Nachwendezeit galt und gilt es noch einige Lücken zu schließen. „Grundsätzlich haben wir so viel Material, um ein dickes Heft oder ein Buch zu füllen. Wir wollen es aber auf rund 60 Seiten komprimieren, damit es ins Format der Hefte zur Stadtgeschichte passt. So ist das entstehende Heft auch als Erinnerung für ehemalige Schüler der Institution interessant“, sind sich die beiden Autoren einig. Wenn alles wie geplant verläuft, könnte das Werk 2024 erscheinen. „Welche Nummer innerhalb der stadtgeschichtlichen Hefte es erhalten wird, ist noch nicht klar, da parallel ein Heft zu Kindertagesstätten in Malchow geschrieben wird. Je nachdem, welches Heft zuerst fertig ist, wird unseres die Nummer 18 oder 19 tragen“, sagt Ulrich Lange.