Batsheva Dagan ist 98 Jahre alt und hat das Vernichtungslager Auschwitz, das Konzentrationslager Ravensbrück und das Außenlager Malchow überlebt. Bereits mehrfach kam sie von Israel, wo sie heute lebt, nach Malchow, um mit Schülern zu sprechen und an der Entwicklung des Gedenkorts für das Außenlager mitzuwirken. Vom 27. bis zum 29. November 2023 ist sie wieder in der Inselstadt zu Gast.
Bei der Begrüßung am Montag um 10 Uhr im großen Rathaussaal bekommt Batsheva Dagan die Neufassung einer Broschüre zum Gedenkort Malchow überreicht. Am großen Tisch eingerahmt von Bürgermeister René Putzar, der ehemaligen Leiterin der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück, Sigrid Jacobeit, dem einstigen Stadtarchivar Dieter Kurth, der Politikerin Elke-Annette Schmidt und anderen Gästen, blättert die 98-jährige KZ-Überlebende in der Broschüre. „Ich freue mich sehr, dass ich als freier Mensch nach Malchow kommen kann“, kommentiert sie und fügt nach einem Blick in die Runde hinzu: „Damals waren alle um mich herum Feinde, heute sind es Freunde.“ Die im Jahr 1925 als Isabella Rubinstein im polnischen Lodz geborene Jüdin floh mit 17 Jahren mit falschen Papieren aus dem Ghetto in Radom nach Deutschland, leistete in Schwerin Zwangsarbeit, bis sie denunziert wurde. Es folgte eine Odyssee durch mehrere Gefängnisse, durch Auschwitz, Ravensbrück und zuletzt Malchow. Nach Kriegsende lebte sie zunächst in Belgien und zog dann nach Israel. Sie arbeitete als Psychologin und verfasste mehrere Bücher, auch für Kinder, in denen sie ihre Zeit unter dem NS-Regime schilderte. In ihrer jetzigen Heimat nahm sie den Namen Batsheva Dagan an.
Bei diesem Aufenthalt in Malchow spricht die Zeitzeugin vor allem mit Jugendlichen unterschiedlicher Altersstufen an der Fleesenseeschule und besucht den Gedenkort. Den Heranwachsenden möchte sie einiges mitgeben: „Sie sollen Sprachen lernen – sie sind so wichtig für die Kommunikation!“ Batsheva Dagan selbst spricht sechs Sprachen, neben Hebräisch, Deutsch, Polnisch und Englisch unter anderem Französisch, das sie in Auschwitz begann zu lernen und später in Belgien anwenden konnte. „Sprachen sind ein Schatz!“ - das wiederholt sie mehrfach. Die Holocaust-Überlebende will die Jugendlichen auch dazu erziehen, Freundschaften, nicht Feindschaften zu pflegen und Nahrungsmittel wertzuschätzen. „Ich habe im Konzentrationslager manchmal die Brotkrumen neben meinen Kopf gelegt. Die haben sich dann immer die Ratten geholt.“ Als Batsheva Dagan aus dem Kopf den Text des „Buchenwaldliedes“ zitiert, applaudieren viele aus der Runde. Auch die direkt neben ihr sitzende Sigrid Jacobeit, die Dagan so gut kennt, dass die beiden per Du sind: „Ich habe sie im Jahr 1995, zum fünfzigsten Jahrestag des Kriegsendes, kennen gelernt. Sie gehörte damals zu einer großen Gruppe aus rund 200 KZ-Überlebenden, die mit dem Flugzeug aus Israel angereist waren und die Gedenkstätte Ravensbrück besucht haben“, berichtet die Professorin. Seitdem sei Batsheva Dagan immer wieder da gewesen, um von der dunklen Zeit und ihrem Schicksal zu erzählen, um aufzuklären, um wachzurütteln. Für sich selbst und fürs Publikum hat sie ihre Erlebnisse in den Konzentrationslagern auch in Gedichten verarbeitet, die die Zustände sehr deutlich und schonungslos darstellen. Sie schreibt darin über Prügel, über Hunger, über Krankheit, über die demütigenden Prozeduren der Entlausung und des Haarescherens, aber auch über Freundschaft und gegenseitige Hilfe. „Am Ende kann ich sagen: Ich lebe – das ist mein Sieg.“