Werner Ehrich, einer der drei Malchower Brückenwärter, wurde 1954 auf dem Gelände der Stadtziegelei geboren und lebte bis zu seinem fünften Lebensjahr dort. Auch später besuchte er noch oft die Menschen, die auf dem Areal lebten. „Als Knirps kam mir das alles riesig vor“, erzählt er heute. Obwohl er noch sehr klein war, erinnert sich Werner Ehrich gut an die Lebens- und Arbeitsbedingungen auf der Ziegelei in den fünfziger Jahren.
Mit fünf Kindern waren die Ehrichs, die in einem Wohnhaus auf dem Gelände der Stadtziegelei Malchow lebten, eine große Familie. „Meine Eltern hatten dort ihre erste Wohnung erhalten. Wir Kinder wurden dort alle geboren. Unsere Mutter lebte einen Großteil der Zeit alleine mit uns, denn mein Vater fuhr zur See“, berichtet Werner Ehrich, der heute 69 Jahre alt und einer der drei Malchower Brückenwärter ist. Bis nach der Geburt des jüngsten Bruders im Jahr 1957 blieb die Familie auf dem Ziegeleigelände wohnen und zog dann ins Lager. Obwohl Werner Ehrich nur bis zu seinem fünften Lebensjahr auf der Klosterseite lebte, kann er sich an vieles gut erinnern. „Das früheste Erlebnis aus meiner Kindheit, das ich noch im Gedächtnis habe, ist, wie ich mit reichlich zwei Jahren aus dem Bett gefallen und mir die Milchzähne beschädigt habe.
Doch ich weiß zum Beispiel auch noch gut, dass ich als Kind immer zu dem Bauern hinübergegangen bin, der auf der Ziegelei eine kleine Landwirtschaft betrieb. Er hatte ein Pferd, eine Kuh, einen Hund und Geflügel. Die Tiere zogen mich magisch an.“ Natürlich wurden Werner und seine Geschwister bei derlei Streifzügen oft ordentlich schmutzig. „Auch bei unseren Ausflügen zum Brennofen mit seiner zentralen Feuerstelle und den Luftkanälen „sauten“ wir uns ein, so dass sich das Waschen dann lohnte.“ Freitags abends durfte sich die ganze Familie – Kinder zuerst, Mutter zuletzt – in der Betriebsarbeiterkaue säubern, die tagsüber von den Werktätigen benutzt wurde. „Ich sehe noch die braunen Kacheln vor mir“, erinnert sich Werner Ehrich. Eine Toilette im Haus oder gar in der Wohnung hatte die Familie damals nicht. Stattdessen nutzte sie das Plumpsklo auf dem Hof.
Wie viele andere Familien dieser Zeit freuten sich auch die Ehrichs, wenn im Herbst der Speisezettel durch schmackhafte Pilze ergänzt wurde. „Wir sind gerne in die Pilze gegangen. Ich kannte auch als kleiner Junge schon eine Reihe essbarer Exemplare“, erzählt der heutige Brückenwärter. Besonders glücklich waren die Kinder, wenn sie zu dieser Zeit auf den Lokführer Schwaan stießen, der auch ein großer Pilzfreund war. „Wenn er seine Loren – er hatte zwischen 12 und 18 davon an einem Zug – in den Lehmgruben beladen ließ, dauerte das schon mal ein paar Stunden. In dieser Zeit ging Herr Schwaan in die Pilze.“ Wenn er dann auf die Kinder traf, öffnete er die Holzkiste in seiner Lok und gab den Kindern einen Teil der Pfifferlinge ab, die er gefunden hatte. Generell ist es Werner Ehrich dennoch im Gedächtnis geblieben, dass die Arbeit auf der Ziegelei damals hart war und meist von Hand erledigt wurde. „Man stapelte die Ziegel, die trocknen sollten, draußen auf Gestellen unter dem überragenden Dach auf, so dass sie vor Regen sicher waren. Von dort aus brachte man sie auf Schiebeloren, sogenannten „Hunden“, zu den Brennkammern, was recht anstrengend war.“ Den Komplex der Ziegelei hat Ehrich als eine Anlage in Erinnerung, „die mir als Knirps riesig vorkam“. Die Kinder nutzten natürlich vor allem die Wochenenden, um das Gelände zu erkunden, da zu dieser Zeit nicht gebrannt wurde, die Öfen daher abgekühlt waren und man mal einen Blick in die Brennkammern riskieren konnte.
Auch nachdem seine Familie weggezogen war, verfolgte Werner Ehrich, was auf dem Ziegeleigelände vor sich ging. „Wir haben oft noch die Leute besucht, die dort wohnten: unseren ehemaligen Nachbarn Bauer Lütke und Frau Fischer, seine Lebensgefährtin, die Familien Mennerich, Sass und Schnurpfeil. Uns, die Ehrichs, mitgezählt, dürften in meiner frühen Kindheit etwa zwanzig Leute dort gewohnt haben.“ Die Ziegeleiproduktion ging noch eine Weile weiter, erinnert sich der Brückenwärter, bis die Lehmader erschöpft war. „Das Material war dann so schlecht, dass es sich nicht lohnte weiterzumachen“, sagt er abschließend.