
In Penkow betreiben Kerstin und Andreas Tönnessen den Hof der Fleesensee Alpakas. Dort lebt das Paar mit neun Tieren dieser Art, die aus Südamerika stammen und mit den Kamelen verwandt ist. Grisu, Pablo, Jonathan und ihre Kollegen wandern mit den Gästen durch die Umgebung, besuchen mit ihren Besitzern Seniorenheime und ein Hospiz und helfen bei der Therapie Bedürftiger. Aber auch Familien können Alpakas-Touren buchen.
Die vier Familien können es kaum erwarten, die vierbeinigen Begleiter kennen zu lernen. Noch stehen sie im Hof des Grundstücks Lebbiner Straße 5 in Penkow. Der Hauskater streicht ihnen um die Beine. Weiter hinten recken bereits einige der Protagonisten des heutigen Spaziergangs ihre Hälse über den Zaun, während andere noch ruhig am Gras knabbern. Die Erwachsenen, Jugendlichen und Kinder haben sich an diesem Sonntagvormittag bei den Fleesensee Alpakas in Penkow eingefunden, um die sogenannte „Golfplatz- oder Waldrunde“ mit den Tieren zu gehen, die rund zwei Stunden dauert. Endlich öffnet Andreas Tönnessen das Gatter – und da sind sie: Grisu, Pablo, Jonathan, Fuchur, Elliot, Bonito, Mortimer, Mokka und Lucifer. Neun Alpaka-Wallache in allen Farben: weiß, braun, schwarz, beige, grau. „Sie sind zwischen vier und sieben Jahren alt und können um die zwanzig werden“, kommentiert Kerstin Tönnessen, während sie den Gästen Schalen mit Körnern in die Hand gibt. Die Alpakas fressen die sehr gerne und recken sofort die Hälse danach. Nach fünf Minuten Füttern ist das Eis gebrochen. Vorher haben die Gäste bereits eine kleine Einführung in das Wesen der Tiere erhalten: Sie mögen es unter anderem nicht, wenn man sie am Kopf streichelt, hören in der Regel nicht auf ihren Namen, sondern auf „Komm-komm“, und haben natürlich alle ihren persönlichen Charakter.
„Daher lassen wir sie auch maximal einmal am Tag eine Runde mit den Gästen gehen und zwischendurch auch Pausentage einlegen. Sie sollen ihren Charakter behalten“, erklärt Kerstin Tönnessen. Sie hat während des Fütterns schon ein wenig beobachtet, welches Tier zu welchem Menschen aus der Gruppe passen könnte. Nach und nach bekommt jeder Erwachsene und jedes Kind ab 12 ein gehalftertes Alpaka übergeben. Die kleineren Kinder fassen am Strick mit an. Vorneweg auf die Runde geht Andreas Tönnessen mit dem grauen Jonathan, der nur ein Auge hat und etwas eigen ist. „Er möchte immer vorn laufen“, sagt sein Besitzer. Auf dem ersten Teil der Strecke müssen sich Mensch und Tier zunächst aufeinander einstellen: So möchte Elliot, der von Stefanie aus Schleswig-Holstein geführt wird, gerne öfter stehenbleiben und fressen. Fuchur in Begleitung einer Familie aus Brandenburg schreitet gemächlich am Ende und muss mehrfach zur Eile angehalten werden. Zwei der Alpakas, unter anderem der schwarze Lucifer, mit vier Jahren das „Nesthäkchen“, legen sich auf dem Weg hin. Aber als die Gruppe den Wald erreicht, der den Golfplatz begrenzt, bilden sie eine ordentliche Reihe, die nur kurz auseinanderfällt, als die von Bremsen geplagten Tiere an den Büschen entlang streifen, um die Insekten abzuschütteln. Nach einer Pause am Wendehammer der Straße am Golfclub geht es auf demselben Weg zurück. Eine Stunde später biegen glückliche Menschen und Tiere wieder in die Einfahrt des Alpaka-Hofes ein. Die Vierbeiner dürfen zurück auf ihre Weide und bekommen noch eine Dusche angeboten. Stefanie und ihre Tochter Miria sind begeistert. „Es war der letzte Tag unseres Mutter-Tochter-Wochenendes und ich habe Miria mit dem Spaziergang überrascht“, erzählt Stefanie. Die Tochter, die Alpakas schon immer schön fand, hatte beim ersten direkten Kontakt mit den Tieren viel Spaß. „Sie sind echt entspannt“, meint sie.

Seit 2017 betreiben Kerstin und Andreas Tönnessen, die aus der Nähe von München stammen, den Alpaka-Hof in Penkow. 2014 hatten sie zum ersten Mal mit Alpakas zu tun und waren sofort fasziniert von den Vierbeinern, die eigentlich in Südamerika beheimatet und Verwandte der Kamele sind. Kerstin Tönnessen arbeitete damals als Grundschullehrerin und setzte auch einen sogenannten „Schulhund“ ein. „Ich habe dann recherchiert, welche Tiere ebenfalls für die Arbeit mit Kindern geeignet sind, und stieß auf die Alpakas“, berichtet sie. Diese Vierbeiner gelten als neugierig, genügsam und ruhig. Zwei Jahre lang bereiteten Kerstin und Andreas, der damals noch ein Filmunternehmen führte, ihren Berufswechsel und Neustart vor: sie suchten ein geeignetes Haus mit Grundstück, fanden es in Penkow, in der Nähe des touristischen Zentrums in Göhren-Lebbin, besuchten Seminare, legten ihre Sachkundeprüfung ab, bauten Ställe und legten Weiden an und kauften schließlich bei zuverlässigen Züchtern geeignete Tiere. „Man muss die Vierbeiner auch gezielt für den Umgang mit den Gästen trainieren. Sie haben spezielle Bedürfnisse und reagieren zum Beispiel ganz anders als Pferde, weshalb man sie nicht wie Pferde behandeln kann“, sagt Andreas Tönnessen. Auch viele Tierärzte seien mit den „Exoten“ noch nicht vertraut, weil die Behandlung von Alpakas in deren Ausbildung meist keine Rolle spiele. Als Alpaka Pablo sich einer komplizierten Hüftoperation unterziehen musste, blieb den Tönnessens daher nichts anderes übrig, als das Tier in die Uni-Klinik nach Berlin zu bringen, wo ihm fachkundig geholfen werden konnte.
Neben den Touren, zu denen noch die „Schnupperrunde“ und die „Kurzrunde“ gehören und für die das Ehepaar stets um Anmeldung bittet, unterbreiten Tönnessens mit ihren Tieren auch therapeutische Angebote. Kerstin Tönnessen arbeitet beispielsweise auf der Weide mit Autisten, denen es schwerfällt, jemanden zu berühren oder selbst berührt zu werden. „Die Tiere bringen diese Menschen jedoch durch ihr besonderes Wesen dazu, neben ihnen zu laufen und sie dann auch anzufassen. So lösen sich Blockaden“, erzählt sie. Andreas Tönnessen war selbst einst Burn-Out-gefährdet und absolvierte nach dieser Erfahrung eine Ausbildung zum Burn-Out-Berater. „Auch bei dieser Diagnose helfen die Tiere den Betroffenen, gewissermaßen „runterzukommen“ und abzuschalten.“ Kerstin und Andreas Tönnessen gehen mit ausgewählten Tieren zudem in das Hospiz Waren und in verschiedene Seniorenheime. Der Kontakt mit den Tieren bietet den Menschen dort einfach schöne Momente und kann sie dazu motivieren, fast verlorene Fähigkeiten wieder zu aktivieren. Bei Demenzkranken wecken die Vierbeiner teils verschüttgegangene Erinnerungen und bringen sie dazu, darüber zu sprechen. „Wir sind immer wieder fasziniert von dem, was die Tiere können: Sie unterscheiden beispielsweise instinktiv zwischen uns, die sie jeden Tag sehen, und Menschen mit Behinderung. Wenn jemand eine Bewegungseinschränkung hat, tolerieren sie dies und sind auch bei abruptem Agieren nicht irritiert. Das ist bei der Therapie sehr hilfreich.“