Forst & Landwirtschaft in der Seenplatte an der Müritz

Die Mecklenburgische Seenplatte ist mehr als eine malerische Urlaubsregion. Hinter den Wäldern und Feldern steckt ein funktionierendes Ökosystem aus Forstwirtschaft, Landwirtschaft und Naturschutz, das seit Jahrhunderten die Landschaft prägt. Wer genauer hinschaut, entdeckt eine Region im Wandel, in der alte Traditionen auf zeitgemäße Anforderungen treffen.
Forstwirtschaft zwischen Kiefern und Buchen
Die ausgedehnten Wälder rund um die Müritz sind nicht nur Erholungsraum, sondern auch Arbeitsplatz. Auf etwa 60 Prozent der Waldfläche wachsen Kiefern – ein Erbe der Aufforstungen nach dem Dreißigjährigen Krieg. Die sandigen Böden vertragen schlicht keine Fichte, und Kiefer galt jahrhundertelang als einzige wirtschaftliche Alternative. Heute rächt sich diese Monokultur: Trockensommer wie 2018 bis 2020 haben ganze Bestände geschwächt, der Borkenkäfer findet leichtes Spiel.
Die Landesforst Mecklenburg-Vorpommern setzt deshalb auf Waldumbau. Statt reiner Kiefernbestände entstehen Mischungen aus Traubeneiche, Rotbuche, Douglasie und Weißtanne. Das Problem: Die Eiche braucht 180 Jahre bis zur Hiebsreife, Kiefer nur 100. Betriebswirtschaftlich ein Kraftakt, ökologisch alternativlos. Im Serrahner Buchenwald, Teil des UNESCO-Weltnaturerbes, lässt sich beobachten, wie natürliche Waldentwicklung funktioniert – allerdings ohne wirtschaftliche Nutzung.
Moderne Forsttechnik macht den Holzeinschlag effizienter. Harvester mit Kranreichweiten bis 10 Meter fällen, entasten und schneiden Stämme in einem Arbeitsgang. Die Maschinen wiegen bis zu 20 Tonnen und arbeiten auf Bändern, um Bodenschäden zu minimieren. Entscheidend für die Präzision sind hydraulische Komponenten – hochwertige Teleskopzylinder ermöglichen dabei die exakten Hebe- und Schwenkbewegungen des Kranarms, auch bei schwerer Belastung im unwegsamen Gelände. Ein defekter Zylinder bedeutet Maschinenstillstand und kann einen Betrieb schnell mehrere tausend Euro pro Tag kosten.
Landwirtschaft auf Standorten der dritten Wahl
Wer in der Seenplatte Landwirtschaft betreibt, braucht Geduld und Pragmatismus. Die Böden erreichen im Schnitt 28 bis 35 Bodenpunkte – zum Vergleich: In der Magdeburger Börde sind es über 80. Das bedeutet geringere Erträge bei gleichen Kosten. Roggen bringt hier 40 Dezitonnen pro Hektar, in fruchtbaren Regionen sind es 70. Winterweizen lohnt nur auf den besseren Standorten zwischen Plau und Waren, und selbst dort bleibt die Eiweißqualität oft grenzwertig.
Viele Betriebe setzen auf Grünland. Die durchschnittliche Milchkuh im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte gibt rund 8.500 Liter Milch pro Jahr – weniger als im Bundesdurchschnitt, aber die Tiere kommen besser mit extensiver Weidehaltung zurecht. Das Grünland liegt oft in Senken und Niederungen, wo Ackerbau ohnehin nicht möglich ist. Das Mähen dieser Flächen hat allerdings seine Tücken: Feuchtigkeit, Steine und unebener Boden verlangen robuste Technik.
Direktvermarktung als Zusatzeinkommen
Einige Betriebe haben den touristischen Charakter der Region für sich entdeckt. Der Schultenhof in Federow verkauft Kartoffeln, Eier und Wurstwaren direkt ab Hof. Donnerstags und sonntags ist geöffnet, in der Hochsaison kommen bis zu 80 Kunden pro Tag. Der Umsatz liegt bei etwa 35.000 Euro im Jahr – klingt wenig, deckt aber die Fixkosten für Gebäude und Grundstück.
Die Kartoffeln werden per Hand sortiert, gewaschen und in 2,5-Kilo-Netzen verkauft. Eine Zeitstunde Arbeit für zehn Euro Erlös – wirtschaftlich grenzwertig, aber für viele Betriebe ein wichtiges Standbein.
Bio-Betriebe haben es schwerer als gedacht. Die Umstellung dauert drei Jahre, in denen die Erträge sinken, aber keine Bio-Preise erzielt werden können. Das Risiko ist hoch, zumal die Gewässer der Müritzregion strenge Auflagen mit sich bringen. Düngeverbote in Schutzgebieten, breite Randstreifen an Seen und Fließgewässern – all das reduziert die bewirtschaftbare Fläche. Ein Landwirt bei Röbel rechnet vor: Von 80 Hektar kann er nur 62 Hektar wirklich nutzen, der Rest sind Puffer und Ausgleichsflächen.
Naturschutz kostet Geld – und bringt welches
Die Müritz selbst stellt besondere Anforderungen an die Landbewirtschaftung. Phosphoreinträge aus der Landwirtschaft belasten das Gewässer, auch wenn die Werte seit den 1990er Jahren deutlich gesunken sind. Die Lösung heißt Agrarumweltmaßnahmen: Landwirte verpflichten sich, auf Düngung zu verzichten oder nur zu bestimmten Zeiten zu mähen – im Gegenzug gibt es Ausgleichszahlungen. Für extensives Grünland sind das etwa 240 Euro pro Hektar und Jahr. Klingt nach viel, deckt aber kaum die entgangenen Erträge.
Blühstreifen entlang von Äckern sind mittlerweile Standard. Drei bis fünf Meter breit, eingesät mit heimischen Wildblumen wie Kornblume, Klatschmohn und Phacelia. Die Streifen bieten Insekten Nahrung und Deckung – funktioniert aber nur, wenn sie nicht gemulcht werden. Ein häufiger Fehler: Landwirte mähen die Streifen im Herbst ab, weil sie sonst im Frühjahr verfilzen. Dabei sollten sie bis März stehenbleiben, als Winterquartier für Insekten.
Perspektiven ohne Schönmalerei
Die Land- und Forstwirtschaft rund um die Müritz wird nicht verschwinden, aber sie verändert sich. Kleine Betriebe unter 50 Hektar haben es schwer, die Fixkosten zu decken. Maschinen werden geteilt, Lohnunternehmer übernehmen Arbeiten wie Ernte oder Gülleausbringung. Die Generation der über 60-Jährigen sucht Hofnachfolger – oft erfolglos. Manche Flächen fallen brach oder werden aufgeforstet, andere gehen an größere Betriebe.
Gleichzeitig entstehen Nischen: Solidarische Landwirtschaft, Heuhotels für Allergiker, Ferienwohnungen auf dem Bauernhof. Die Region lebt von ihrer Landschaft, und wer diese pflegt, investiert in die eigene Zukunft.