
Seit Juni 2020 erforscht die promovierte Wissenschaftlerin Shirley Brückner die Geschichte des Klosterareals in Malchow und der Personen, die dort arbeiteten und lebten. Auf der Basis ihrer Funde erarbeitet sie ein Nutzungskonzept für ein zukünftiges Museum Kloster Malchow. Ein wichtiger Teil davon soll eine Ausstellung über die ehemaligen Bewohnerinnen des Klosters, die Stiftsdamen, und die Geschichte des Klosters werden. Das Klostergelände der Inselstadt ist für die Historikerin eine unerschöpfliche Fundgrube potenzieller Exponate und auch baugeschichtlich interessant: „Solche Komplexe, die mehr oder weniger noch im Zustand des 19. Jahrhundert erhalten sind, gibt es nicht viele.“
Shirley Brückner möchte den Stiftsdamen, die im Kloster Malchow gelebt haben, ihre Geschichte geben. Nur scheinbar widerspricht dem der Arbeitstitel der geplanten Ausstellung über die Konventualinnen - „Unsichtbare Frauen“. „Da diese Frauen nicht verheiratet waren, ist über sie oft weniger überliefert als über ihre verheirateten Geschlechtsgenossinnen, die über ihre Männer und Kinder in die Überlieferung eingebunden waren“, sagt die Historikerin bedauernd. Doch gerade diese Unsichtbarkeit spornt sie an, die vielen spannenden Geschichten herauszufinden und zu dokumentieren, die hinter den Stiftsdamen stehen. So wie die Hertha von Hammersteins, gestorben 1950 im Kloster, über die in zeitgenössischen Aufzeichnungen notiert ist, dass sie wunderbar Klavier gespielt und auch komponiert habe. Über 1200 dieser adligen Damen sind in einer Liste des Klosters aufgeführt. „Ihre Geschichte grabe ich nach und nach aus“, beschreibt Shirley Brückner einen Teil ihrer Aufgaben. Dokumente wie Briefe oder Tagebücher helfen ihr dabei ebenso wie Alltagsgegenstände der damaligen Zeit.

Auch die Ahnentafeln sind nicht nutzlos – bei den Stiftsdamen geben Hinweise auf Eltern und Geschwister wertvolle Informationen. Etwa aller zwei Wochen recherchiert die Historikerin und Kulturwissenschaftlerin im Klosterarchiv. Dieses befindet sich im Landeshauptarchiv in Schwerin. „Dort liegen sehr viele nützliche Unterlagen, während ich hier vor Ort nur eine um 1900 geschriebene Klosterchronik in acht Bänden zur Verfügung habe, die der evangelischen Pfarrgemeinde gehört.“ Nach ihrem Eindruck ist Shirley Brückner die erste, die die Akten im Klosterarchiv, die sich auf Malchow beziehen, ausführlich liest. Außerdem dürfte sie auch diejenige sein, die die Räumlichkeiten auf dem Kloster am akribischsten durchforstet. „Ich bin quasi über Dachböden gerobbt und habe dabei viele Dinge gefunden, denen ich nun versuche, ihre Geschichte zu entlocken“, erzählt sie. Bei ihren Recherchen entdeckte sie beispielsweise auch, dass fast alle Wohnungen, auch die der Vorsteherinnen, Balkons hatten, eins der Wappen an den Wänden ursprünglich an einem anderen Ort zu finden war und dass es in einem Nebengebäude ein Damenbad gab. „Dieses wurde gebraucht, denn die Frauen hatten erst seit den zwanziger Jahren fließendes Wasser in ihren Wohnungen“, erläutert Shirley Brückner. Friedrich Drese, Leiter des Mecklenburgischen Orgelmuseums, fand vor einiger Zeit ein Leinen-Damast-Tischtuch auf dem Gelände, das aus dem 16. Jahrhundert stammen soll. Das Kloster Malchow ist also eine Quelle faszinierender Funde und noch lange nicht auserforscht. Auch baugeschichtlich ist es attraktiv: „Komplexe wie diesen, fast vollständig im Zustand der Mitte des 19. Jahrhunderts erhalten, gibt es nicht mehr viele“, sagt die Historikerin.
Zweieinhalb Jahre nach ihrem Dienstantritt im Juni 2020 hat Shirley Brückner schon viel erreicht. „Meine Hauptaufgabe neben der Erforschung der Klostergeschichte und der Konzipierung der Ausstellung über die Konventualinnen ist es, ein Konzept für die Nutzung des gesamten Klosters zu entwickeln“, berichtet die 46-jährige, die im Erzgebirge geboren wurde und nach Stationen in Halle, wo sie promovierte, Berlin und Gotha nach Malchow kam. Langfristig soll der Museumskomplex, zu dem dann unter anderem auch eine Sammlung der Stadtgeschichte und der Alltagskultur gehören werden, als Kulturzentrum fungieren. Dazu müssen auch museumspädagogische Angebote etabliert und Veranstaltungen organisiert werden. „Sehr wichtig wird es sein, den Museumskomplex überregional bekannt zu machen und offensiv dafür zu werben, indem man nicht nur durch Schilder an der Autobahn auf ihn aufmerksam macht.“ Das Konzept für die Ausstellung über die Damen steht nach vielen Monaten konzentrierter Arbeit nun. „Jetzt geht es darum, es inhaltlich zu bestücken und dabei auch Lücken in der Dramaturgie zu finden, die die Gäste durch die Räume leiten soll“, sagt Shirley Brückner. Ferner müssen Texte zu den Exponaten und eine wissenschaftliche Begleitpublikation geschrieben werden. „Außerdem wollen wir per Ausschreibung eine Agentur suchen, die die Ausstellung gestalterisch umsetzt.“
Diesen Herausforderungen würde Shirley Brückner sich gern stellen und weiß dabei auch, dass sich in der Zukunft die Frage ergeben wird, wer den fertigen Museumskomplex leiten soll. Ihre von der Ostdeutschen Sparkassenstiftung geförderte Stelle läuft Ende Mai 2023 aus. Doch die Arbeit, die parallel zur kostspieligen Sanierung der Klostergebäude läuft, ist noch lange nicht fertig. Shirley Brückner empfindet ihre Tätigkeit als inhaltlich ungemein spannend und hat sich sehr tief in die Materie eingearbeitet. Aber sie wünscht sich dafür Planungssicherheit. „Wenn meine Stelle nun drei Jahre verlängert wird, was ich hoffe, ich danach aber nicht weiß, wie es weitergeht, ist das für mich keine gute Basis der Zusammenarbeit. Eine Aussicht auf unbefristete Anstellung wäre dagegen eine gute Perspektive.“