Es gibt Fragen, die selten gestellt werden – und dann plötzlich dringend werden. Die nach dem Zustand der Elektrik im eigenen Zuhause gehört definitiv dazu. Wer in einem Altbau lebt, kennt vielleicht das mulmige Gefühl, wenn das Licht flackert, der FI-Schalter regelmäßig fliegt oder ein Kabel warm wird. Und trotzdem: Kaum jemand weiß wirklich, wann die Elektrik erneuert werden muss – oder was dabei eigentlich genau gemacht wird.
Gerade in älteren Gebäuden sind elektrische Leitungen, Verteilerkästen oder Steckdosen oft Jahrzehnte alt. Und auch wenn vieles auf den ersten Blick funktioniert: Die Normen haben sich geändert, der Strombedarf ist gestiegen, Sicherheitsanforderungen sind schärfer. Doch was ist übervorsichtig, was wirklich notwendig? Und worauf sollte man achten, bevor es zu spät ist?
Wir haben bei jemandem nachgefragt, der nicht nur seit über 20 Jahren mit dem Thema zu tun hat, sondern täglich sieht, wo es in der Praxis wirklich kritisch wird: Denny Banz, Gründer und Geschäftsführer von Elektrikshop.de. Im Gespräch mit dem Müritzportal erklärt er, woran man erkennt, dass eine Erneuerung sinnvoll ist – und weshalb viele Sanierungen nicht beim Putz, sondern bei den Kabeln anfangen sollten.
Müritzportal: Herr Banz, gibt es typische Signale, die Ihnen sofort zeigen: Hier stimmt mit der Elektrik etwas nicht – das sollte dringend überprüft werden?
Banz: Absolut, da gibt es mehrere Warnzeichen, die man nicht ignorieren sollte. Wenn zum Beispiel der FI-Schalter regelmäßig auslöst, ist das fast immer ein Hinweis auf ein ernstzunehmendes Problem – entweder mit der Leitung selbst oder mit einem angeschlossenen Gerät. Auch flackerndes Licht, warm werdende Steckdosen oder Sicherungen, die ständig „herausspringen“, sind klare Alarmsignale.
In vielen Altbauten sieht man außerdem noch textile Leitungen oder Steckdosen ohne Schutzkontakt – das sind echte Stromfallen, die mit heutigen Sicherheitsstandards nichts mehr zu tun haben. Viele dieser Dinge fallen den Bewohnern erst gar nicht auf oder sie gewöhnen sich daran. Aber genau darin liegt die Gefahr: Elektrik ist unsichtbar – bis etwas passiert. Deshalb ist es wichtig, bei solchen Anzeichen nicht zu zögern und einen Fachmann draufschauen zu lassen.
Müritzportal: Viele denken ja: „Solange der Strom fließt, passt schon alles.“ Wo liegt aus Ihrer Sicht der größte Irrtum in dieser Haltung?
Banz: Das ist tatsächlich ein sehr verbreiteter Irrglaube – und auch ein gefährlicher. Nur weil Strom aus der Steckdose kommt, heißt das nicht, dass die Anlage sicher ist. Die Technik dahinter kann völlig veraltet oder sogar beschädigt sein, ohne dass man es von außen merkt. Der größte Irrtum liegt darin, zu glauben, dass „funktionieren“ gleichbedeutend mit „in Ordnung“ ist.
In Wahrheit können marode Leitungen, überlastete Stromkreise oder fehlende Schutzmechanismen im Hintergrund ein hohes Risiko darstellen – angefangen bei kleinen Kurzschlüssen bis hin zu Bränden. Gerade mit dem heutigen Strombedarf – durch Geräte wie Wärmepumpen, Induktionsherde oder Wallboxen – sind viele alte Anlagen schlicht überfordert. Wer da nicht rechtzeitig saniert, riskiert nicht nur die eigene Sicherheit, sondern oft auch Probleme mit der Versicherung.
Müritzportal:Sie haben täglich Kontakt zu Menschen, die sich mit Elektroinstallation beschäftigen – sei es beruflich oder privat. Was hören Sie besonders häufig, wenn es um alte Anlagen geht?
Banz: Ein Satz, den ich wirklich oft höre, ist: „Das hat doch jahrzehntelang funktioniert – warum jetzt auf einmal alles neu?“ Viele Menschen unterschätzen einfach, wie sehr sich Technik, Normen und Sicherheitsanforderungen verändert haben. Was vor 10 oder 20 Jahren Stand der Dinge war, reicht heute in vielen Fällen nicht mehr aus – weder für den gestiegenen Strombedarf noch für den Schutz der Nutzer.
Häufig erzählen uns Kunden auch, dass sie beim Renovieren plötzlich auf brüchige Leitungen oder improvisierte Verteilungen stoßen, die ihnen vorher gar nicht aufgefallen sind. Das sorgt dann für Überraschung – und manchmal auch für Zeitdruck. Deshalb sagen wir immer: Wer modernisieren oder umbauen will, sollte die Elektrik unbedingt mitdenken. Denn die beste neue Küche bringt wenig, wenn die Leitungen dahinter veraltet sind.
Müritzportal:Gerade im Bestand wird oft Stück für Stück modernisiert – hier ein neuer Herdanschluss, da eine zusätzliche Leitung. Wie problematisch ist es, wenn sich alte und neue Komponenten vermischen?
Banz: Das ist ein ganz zentraler Punkt – und leider auch ein häufiger Fehler. Auf den ersten Blick wirkt es sinnvoll, nur das Nötigste zu erneuern. Aber wenn moderne Komponenten auf alte, möglicherweise unsichere Installationen treffen, entsteht schnell ein Flickwerk, das im Zweifel niemand mehr richtig überblickt. Alte Leitungen sind oft nicht für die Belastung neuer Geräte ausgelegt, und die Schutzmechanismen passen dann schlicht nicht mehr zusammen.
Im schlimmsten Fall wiegt man sich in trügerischer Sicherheit, weil „ja alles neu aussieht“. Dabei liegt das Problem im Verborgenen – in der Wand, im Verteiler, in der Erdung. Deshalb ist es so wichtig, bei Teilsanierungen genau zu prüfen, wie alt die bestehenden Strukturen sind und ob sie die neuen Anforderungen überhaupt tragen können. Manchmal ist eine komplette Erneuerung auf lange Sicht nicht nur sicherer, sondern auch wirtschaftlicher.
Müritzportal:Gibt es aus Ihrer Sicht bestimmte Baujahre oder Zeiträume, bei denen man besonders genau hinschauen sollte? Also Installationen, die heute als klar veraltet gelten?
Banz: Ja, definitiv. Besonders kritisch sind Gebäude, die zwischen den 1950er- und 1970er-Jahren gebaut wurden. In dieser Zeit wurden häufig Aluminiumleitungen verlegt, die heute aus mehreren Gründen als problematisch gelten – etwa wegen höherer Brandgefahr durch schlechte Kontaktstellen. Auch die Absicherung war damals ganz anders: Es gab oft nur einen oder zwei Stromkreise für eine ganze Wohnung, was aus heutiger Sicht völlig unzureichend ist. Schutzleiter fehlten teilweise ganz oder wurden gemeinsam mit dem Neutralleiter geführt – etwas, das heute aus Sicherheitsgründen nicht mehr zulässig ist.
Auch Installationen aus den 80er- und 90er-Jahren sind oft nicht mehr auf dem Stand, den moderne Geräte und Vorschriften verlangen. Wer in einem Haus oder einer Wohnung aus diesen Jahrzehnten lebt und noch nie etwas an der Elektrik gemacht hat, sollte dringend mal einen Fachmann draufschauen lassen. Das ist keine Panikmache – sondern schlicht vernünftige Vorsorge.
Müritzportal: Und zum Schluss eine praktische Frage: Wenn sich jemand unsicher ist, ob seine Anlage noch sicher ist – wie geht man so eine Prüfung konkret an? Und was darf man sich als Laie davon erwarten?
Banz: Der erste Schritt ist immer: Nicht raten, sondern prüfen lassen. Wer unsicher ist, sollte sich an einen eingetragenen Elektrobetrieb wenden und eine sogenannte Bestandsaufnahme oder Sicherheitsüberprüfung der elektrischen Anlage beauftragen. Dabei wird unter anderem geschaut, ob die Schutzmaßnahmen noch funktionieren, wie alt die Leitungen sind, ob es Anzeichen für Überlastungen gibt und ob die Anlage den heutigen Normen entspricht. Das Ganze dauert je nach Größe des Objekts nicht lange – und ist im Vergleich zu möglichen Folgeschäden gut investiertes Geld.
Als Laie sollte man keine Wunderdetails erwarten, aber man bekommt eine klare Einschätzung: Was ist noch in Ordnung, was kritisch, was sollte mittelfristig gemacht werden? Im Idealfall gibt es sogar eine Prioritätenliste. Wichtig ist: Es geht nicht darum, sofort alles zu sanieren – sondern darum, zu wissen, woran man ist. Und damit kann man dann sinnvoll planen – gerade bei Altbauten ist das oft der entscheidende Schritt, um böse Überraschungen zu vermeiden.
Müritzportal: Vielen Dank für das Gespräch – und für die Einblicke in ein Thema, das oft unterschätzt wird, bis es zu spät ist.
Banz: Sehr gern – ich freue mich, wenn wir mit dem Gespräch ein Stück mehr Bewusstsein für das Thema schaffen konnten. Elektrik ist zwar meist unsichtbar, aber sie bildet die Grundlage für Sicherheit und Komfort im Alltag. Deshalb gilt: Lieber einmal mehr hinschauen (lassen), als später vor einem echten Problem zu stehen. Vielen Dank für das Interesse!