Ein MRT kann vieles sichtbar machen – Bandscheibenvorfälle, Entzündungen oder Tumoren. Doch wenn der schriftliche Befund vorliegt, beginnt für viele erst das eigentliche Rätselraten. Lateinische Fachbegriffe, millimetergenaue Angaben und eine nüchterne Sprache lassen Laien oft ratlos zurück.
Julia Kerkhoff kennt dieses Problem nur zu gut. Mit ihrer Plattform befundklar.de hilft sie Menschen dabei, medizinische Befunde verständlich zu machen – ohne zu verharmlosen oder zu dramatisieren. Wer seinen Befund übersetzen lassen möchte, findet bei ihr präzise, aber alltagsnahe Erklärungen.
Im Gespräch mit mueritzportal.de erzählt sie, welche Irrtümer häufig auftreten, wie ein MRT-Befund eigentlich aufgebaut ist – und warum es sich lohnt, das Gespräch mit medizinischem Wissen auf Augenhöhe zu suchen.
MRT-Befund – was steht da eigentlich?
Müritzportal:
Frau Kerkhoff, was ist Ihrer Erfahrung nach das größte Hindernis beim Verstehen eines MRT-Befundes?
Julia Kerkhoff:
Aus meiner Sicht liegt das größte Hindernis in der Sprache. Radiologische Befunde sind für medizinisches Fachpersonal formuliert – und das ist auch richtig so. Für Patientinnen und Patienten bedeutet das aber häufig: viele Fachbegriffe, lange verschachtelte Sätze und kaum Orientierung, was eigentlich wichtig ist.
Verunsicherung entsteht zusätzlich dadurch, dass selten klar erkennbar ist, ob ein Befund harmlos oder behandlungsbedürftig ist – oder wie es konkret weitergehen sollte. Diese Unklarheit führt oft zu Ängsten, ziellosem Googeln und am Ende eher zu Verwirrung als zu Klarheit.
Müritzportal:
Gibt es bestimmte Begriffe oder Formulierungen, die immer wieder für Verwirrung sorgen?
Julia Kerkhoff:
Ja, definitiv. Begriffe wie Degeneration, Protrusion oder Signalveränderung klingen für viele bedrohlich, beschreiben aber häufig ganz normale, altersbedingte Veränderungen. Auch Formulierungen wie klinische Korrelation empfohlen erscheinen regelmäßig in Befunden – sie lassen viele jedoch ratlos zurück, weil nicht deutlich wird, wie ernst der Befund eigentlich ist.
Die medizinische Fachsprache ist sehr präzise – aber ohne Erläuterung für Laien schwer zugänglich. Genau hier setzen wir an.
Vom Aufbau bis zur Aussage – wie ein MRT-Befund strukturiert ist
Müritzportal:
Wie ist ein MRT-Befund typischerweise aufgebaut – worauf sollte man zuerst achten?
Julia Kerkhoff:
Ein MRT-Befund folgt meist einem festen Aufbau: Zunächst wird benannt, welche Körperregion mit welcher Technik untersucht wurde. Danach folgt die detaillierte Befundbeschreibung, in der die radiologischen Bilder systematisch bewertet werden – häufig mit vielen Fachbegriffen, die für Laien schwer verständlich sind.
Am wichtigsten ist in der Regel der letzte Abschnitt: die Beurteilung. Hier fassen Radiologinnen und Radiologen die wesentlichen Befunde möglichst knapp, aber präzise zusammen. Genau hier sollte man zuerst hinschauen – denn oft wird dort deutlich, ob relevante Veränderungen vorliegen oder nicht.
Trotzdem bleibt auch dieser Teil für viele unverständlich – besonders dann, wenn Fachbegriffe nicht erläutert oder keine klare Einschätzung gegeben wird. Deshalb ist es so wichtig, diesen Abschnitt verständlich zu vermitteln.
Müritzportal:
Ist der Befund immer schon eine Diagnose?
Julia Kerkhoff:
Nein, ein radiologischer Befund ist keine Diagnose im eigentlichen Sinne. Er beschreibt zunächst nur das, was auf den Bildern sichtbar ist – also Veränderungen in Struktur, Form oder Signalverhalten von Geweben.
Ob diese Veränderungen tatsächlich krankhaft sind und welche Bedeutung sie haben, lässt sich oft erst im Zusammenspiel mit den Beschwerden, der körperlichen Untersuchung und anderen Befunden beurteilen. Ein MRT kann Hinweise auf eine Diagnose liefern, sie aber selten allein bestätigen.
Deshalb findet sich im Befund häufig der Hinweis auf eine klinische Korrelation – also die Empfehlung, die Bildgebung im Kontext der individuellen Krankengeschichte zu bewerten. Genau hier liegt der zentrale Unterschied zwischen Befund und Diagnose.
Zwischen Arzttermin und Internet – wo Menschen Hilfe suchen
Müritzportal:
Viele Menschen googeln ihre Befunde. Was halten Sie davon und was sind typische Missverständnisse, die durch eigene Recherchen entstehen?
Julia Kerkhoff:
Das Bedürfnis, nach einem Befund selbst zu recherchieren, ist absolut nachvollziehbar – viele möchten verstehen, was im eigenen Körper vor sich geht. Das Problem ist nur: Bei der Google-Suche fehlen meist der medizinische Kontext und die nötige Einordnung.
Ein Begriff wie Bandscheibenprotrusion oder Signalanhebung kann je nach Situation völlig harmlos oder behandlungsbedürftig sein – das lässt sich über eine Internetrecherche allein nicht einschätzen.
Typische Missverständnisse entstehen, wenn allgemeine Informationen eins zu eins auf die eigene Situation übertragen werden. Viele stoßen auf worst-case-Szenarien, die zwar medizinisch möglich sind, im individuellen Fall aber völlig unwahrscheinlich. Das führt oft zu unnötiger Angst.
Deshalb ist Aufklärung so wichtig: Wer versteht, was ein Befund tatsächlich bedeutet – und was nicht –, gewinnt Sicherheit und kann fundierte Entscheidungen treffen, ohne sich in Halbwissen zu verlieren.
MRT-Befund besprechen – was hilft wirklich?
Müritzportal:
Wann ist der richtige Moment, einen Befund erklären zu lassen – vor oder nach dem Arztgespräch?
Julia Kerkhoff:
Beides kann sinnvoll sein – je nachdem, in welcher Situation sich jemand befindet. Eine Befunderklärung vor dem Arztgespräch kann helfen, sich überhaupt erst einmal zu orientieren. Das senkt die Hemmschwelle für Rückfragen und führt zu einem besseren Gespräch.
Genauso wichtig kann eine Erklärung nach dem Arzttermin sein – vor allem, wenn das Gespräch zu kurz war, Fragen offengeblieben sind oder Unsicherheit zurückbleibt. In beiden Fällen geht es nicht darum, den ärztlichen Austausch zu ersetzen, sondern ihn zu ergänzen.
Erst wenn medizinische Informationen wirklich verstanden werden, können Patientinnen und Patienten aktiv an Entscheidungen mitwirken.
Müritzportal:
Wie kann eine verständliche Befund-Erklärung helfen, sich besser auf ein Gespräch mit der Ärztin oder dem Arzt vorzubereiten?
Julia Kerkhoff:
Eine gut verständliche Befund-Erklärung schafft vor allem eins: Klarheit. Wer die Grundzüge seines Befunds bereits kennt, kann gezielter nachfragen, Ängste ansprechen und das Gespräch aktiv mitgestalten – gerade wenn es um weiterführende Diagnostik oder Therapieentscheidungen geht.
Statt mit einem diffusen Gefühl von „da stimmt etwas nicht“ ins Gespräch zu gehen, wird der medizinische Inhalt greifbarer – ohne Fachchinesisch, aber auch ohne Beschönigung. Das reduziert emotionale Anspannung und stärkt das Vertrauen in das, was im Gespräch folgt.
Davon profitieren alle: Patientinnen und Patienten fühlen sich besser informiert, und Ärztinnen und Ärzte erleben das Gespräch als partnerschaftlich.
Eine verständliche Befund-Erklärung kann auch ärztlich entlasten: Wenn Patientinnen und Patienten vorbereitet ins Gespräch kommen, bleibt mehr Zeit für das Wesentliche – die individuelle Beratung, das gemeinsame Abwägen von Optionen und die nächsten Schritte. Ärztinnen und Ärzte müssen dann weniger Zeit auf die Erklärung von Grundbegriffen verwenden, und die Fragen können gezielter und ruhiger gestellt werden.
So entsteht ein Austausch auf Augenhöhe – ohne Zeitdruck, ohne Missverständnisse und ohne das Gefühl, mit offenen Fragen zurückzubleiben.
Wunsch an die Medizin – Sprache mit Brücke zur Lebenswelt
Müritzportal:
Was wünschen Sie sich im Umgang mit medizinischer Sprache in Zukunft?
Julia Kerkhoff:
Ich wünsche mir, dass medizinische Sprache auch künftig fachlich präzise bleibt – aber zugleich zugänglicher wird. Es geht nicht darum, sie zu vereinfachen, sondern sie so zu erklären, dass Patientinnen und Patienten wirklich verstehen, was gemeint ist.
Nur dann können sie mitentscheiden, mitdenken und mittragen, was ihre Gesundheit betrifft.
Gerade in der Radiologie ist die Sprache oft sehr technisch – und das ist auch notwendig. Aber es wäre wünschenswert, wenn mehr Raum dafür entsteht, diese Sprache einzuordnen, zu erläutern und damit Barrieren abzubauen.
Das ist kein Widerspruch zum ärztlichen Handeln, sondern eine wichtige Ergänzung: Wer verstanden wird, fühlt sich ernst genommen. Und genau das ist die Grundlage für ein vertrauensvolles Miteinander in der Medizin.