Waren (Müritz) begrüßte am Dienstagabend in der Marienkirche einen bekannten und engagierten Streiter für den Frieden: Dr. Eugen Drewermann, Jahrgang 1940, Theologe, Psychoanalytiker und Schriftsteller von internationaler Reichweite, der unter anderem im Jahr 2007 den Erich-Fromm-Preis für sein friedenspolitisches Wirken erhielt. Eingeladen hatte ihn die Initiative „Menschlich Stark Miteinander“. Der Vortrag Drewermanns, in Anlehnung an sein aktuelles Buch „Nur durch Frieden bewahren wir uns selber – die Bergpredigt als Zeitenwende“, hatte zahlreiche Zuhörer in die Warener Marienkirche gelockt. Die Sitzreihen zu ebener Erde waren voll besetzt, ebenso war es die Empore.
Nach einleitenden Worten eines Kirchenratsmitglieds und von Markus Häcker sowie Carmen Janecke von „Menschlich Stark Miteinander“ hielt Eugen Drewermann ab 18.30 Uhr eine Stunde und fünfzehn Minuten lang ein eindrucksvolles Plädoyer für die Verständigung zwischen den Menschen. „Es braucht Mut, in Zeiten wie diesen für den Frieden einzutreten“, rief er ins Rund der Kirche. Drewermann sprach frei, deutlich und mitreißend, offenbarte ein profundes Wissen natürlich in theologischen Fragen, aber auch der Geschichte, der Philosophie, der Literatur und psychologischer Prozesse. Er zitierte unter anderem Mahatma Gandhi, der 1947 sagte: „Ihr irrt euch, wenn ihr glaubt, der Frieden käme aus den Mündungsrohren von Kanonen.“ Bezüglich des Golfkriegs von 1991 bemerkte er, dass sich damals die Friedensbewegung sehr zahlreich gegen diesen Feldzug ausgesprochen habe – aber vor allem aus Angst vor den Konsequenzen. Dem hielt er als grundsätzlichen Beweggrund entgegen: „Wir verneinen jeden Krieg, weil er uns die Menschlichkeit raubt.“
Danach spannte der Theologe den Bogen von Martin Luther King und seinem Engagement gegen den Vietnamkrieg, Jitzhak Rabins Einsatz für eine Einigung zwischen Palästinensern und Israelis, den er nicht lange überlebte, zum Schicksal Jesus´. „Alle, die sich in der Geschichte gegen den Krieg und für den Frieden eingesetzt haben, lebten gefährlich“, schlussfolgerte er. Sich wieder auf Gandhi berufend, wies Drewermann darauf hin, dass „Frieden Freiheit von Angst voraussetzt“ und warnte vor einem Wettrüsten der Angst vor dem Gegenüber, das mit immer schlagkräftigeren Waffen ausgetragen wird, siehe Drohung mit atomarem Erstschlag. „Die Botschaft dagegen ist in der Bergpredigt enthalten.
Sie lautet sinngemäß: Wie verstehen wir die Ursachen des Konflikts und lösen die Streitfrage gemeinsam und friedlich?“ Natürlich kontrastierte er auch die Pläne, die es um die Wendezeit gab und die von einer Friedenszone von Lissabon bis Wladiwostok sprachen, mit den Bestrebungen der Mächte, die dem entgegenstehen, und deren geopolitischen Erwägungen. „1989 lag der Frieden auf unserem Tisch – was haben wir daraus gemacht?“ fragte er, auch mit Blick auf den Ukrainekonflikt. Als Kenner psychologischer Beeinflussung erläuterte er einen der Gründe dafür, dass die Menschheit sich immer wieder in Kriege hineinziehen lässt, die eigentlich nicht in ihrem Interesse sind: Der militärische Drill und die Manipulation, die aus normalen Menschen Soldaten machen, Befehlsempfänger. „Stahlhelm auf den Kopf und aufhören zu denken“, so beschrieb er dies. Das Rezept dagegen zumindest für den Gläubigen: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen, wenn er sagt: Du sollst nicht töten!“
Eugen Drewermann drückt sich immer noch mit einer beeindruckenden Vehemenz und Sprachgewalt aus, trotz seiner 83 Jahre. Seine Thesen sind gleichzeitig aktuell und zeitlos. Das Publikum in der Warener Marienkirche dankte ihm für seinen Vortrag mit langem Applaus, viele Zuhörer standen dabei auf, um ihm Respekt zu erweisen. Der Redner seinerseits würdigte die Aufnahme durch die Müritzer als „großes Geschenk“. Als er nach der Veranstaltung noch einige Bücher signierte, war der Stand dicht umlagert.