Lütkemüller-Orgel Warener Georgenkirche restauriert
So viel Lütkemüller war noch nie in der Orgel!

Er hat die mecklenburgisch-vorpommersche Orgellandschaft entscheidend geprägt: Friedrich Hermann Lütkemüller, der im 19. Jahrhundert eine Orgelwerkstatt in Wittstock betrieb, baute viele der Instrumente, die in dieser Zeit in Stadt- und Dorfkirchen der Region ihren Platz fanden. Auch die Orgel in der Warener Georgenkirche stammt von ihm. Sie entstand 1856 und hatte ursprünglich, der damaligen Epoche entsprechend, einen romantischen Klang. Doch diese sogenannte Disposition wurde durch Umbauten im letzten Jahrhundert weitgehend beseitigt.
Im Jahr 2002 begannen die Kantorin der Georgenkirche und ein Orgelsachverständiger, sich mit dem klanglichen Zustand der Warener Orgel zu beschäftigen. „Damals wurde erstmals formuliert, dass man sie auf ihren Lütkemüller-Zustand zurückführen sollte“, sagt Kreiskantorin Christiane Drese. Sie berichtet von der Einschätzung des Güstrower Domorganisten Martin Ohse, der folgendermaßen zusammenfasste, wie es damals um die Warener „Königin“ bestellt war: „An den großen restaurierten Lütkemüller-Orgeln, wie unserer Güstrower Domorgel, kann man eindrucksvoll erleben, wie sinnvoll die Dispositionen dieses Orgelbauers sind. Dagegen sind die jetzige Disposition und Klanglichkeit der Warener Orgel unbefriedigend.“ Ohse wies unter anderem darauf hin, dass an dem 1856 gebauten Instrument die Streicher fehlten und das ein großes Defizit sei. Ebenso wie mehrere andere Orgelexperten stimmte er zu, dass der ursprüngliche Klang des Instruments wiederhergestellt werden müsse.
Wiedereinweihungstage der Lütkemüller-Orgel in Waren (Müritz)

Doch das war nicht das einzige Problem der „Königin“: Sie war zwar noch spielbar, wie ein Sachverständigengutachten im Jahr 2018 ergeben hatte, aber die Technik befand sich in schlechtem Zustand und war störanfällig. Drähte waren dünn gerieben worden. Tasten hingen oder klemmten. Ventile sprangen aus. Gummischeiben fielen ab. In der Windanlage gab es undichte Bereiche. Die pneumatischen Zusatzladen funktionierten mangelhaft. Der Spieltisch musste überarbeitet werden. Außerdem war das Innere stark verschmutzt und teils vom Schimmel befallen. Auch in dieser Hinsicht gab es also Handlungsbedarf. Doch: Einerseits wusste man natürlich um die Bedeutung des Instruments, wie auch das Gutachten von 2018 betont: „Diese Orgel ist in allergrößter Akkuratesse gebaut worden und steht an vorderer Stelle der zahlreich erhaltenen Lütkemüller-Orgeln. Im Rahmen der Kirchenmusik in Waren spielt sie eine große Rolle.“ Andererseits konkurrierte das Bestreben, sie zu restaurieren, jahrelang damit, dass auch für die Sanierung der Kirche selbst beträchtliche Mittel aufgebracht werden mussten.
Im Jahr 2019 beschloss man endlich, die Orgelrestaurierung anzugehen. Auf einem Informationsbanner in der Kirche ist von Gesamtkosten von 300.000 Euro die Rede, von denen das Land Mecklenburg-Vorpommern und der Kirchenkreis Mecklenburg einen Sockelbetrag von 200.000 Euro zur Verfügung stellten. Der Eigenanteil wurde unter anderem durch eine Spendensammelaktion zusammengebracht. Auch Benefizkonzerte sorgten für Einnahmen. Zudem warb der Förderverein Spenden ein. Im September 2023 begann die Orgelbauer-Firma Wegscheider aus Dresden dann mit der Restaurierung. Die Mitarbeiter bauten die Pfeifen aus, restaurierten die Windanlage mit Balg, Windkanälen und Windladen sowie die Ton- und Register-Traktur, erneuerten die Pfeifen. In 22 von 24 Registern sind nun originale Lütkemüller-Pfeifen drin. Christiane Drese beschreibt, wie das möglich war: „Eine große Anzahl der ursprünglichen Pfeifen blieb im umgebauten Zustand der Orgel erhalten und konnte wieder an ihre eigentlichen Plätze zurückgeführt werden. Für ganz verlorene Register gab es Beispiele an anderen erhaltenen Orgeln. Originale Teile aus der Wesenberger und Tangermünder Orgel, die dort ausgebaut und im Mecklenburgischen Orgelmuseum eingelagert worden waren, fanden ihren Platz in der Warener Orgel“, erzählt die Kreiskantorin und spricht augenzwinkernd von „Organspende“. Zwei Register baute man ganz neu, Lütkemüllers Klangkonzept im Hinterkopf behaltend. „So viel Lütkemüller war noch nie in der Orgel“, ist Christiane Dreses Fazit. Als letzter Schritt der Fertigstellung intonierten die Mitarbeiter der Firma Wegscheider, für Besucher gut hörbar, die Orgelpfeifen. „Wir prüfen dabei jede der rund tausend Pfeifen auf ihren Klang. Falls er nicht stimmt, justieren wir entsprechend bestimmter Parameter nach“, erläuterte einer von ihnen.
Oft waren sie zu dritt tätig: Einer saß an der Tastatur, ein zweiter bearbeitete die Pfeifen manuell nach, ein dritter war im Inneren der Orgel beschäftigt. Bei den Wiedereinweihungstagen vom 31. Oktober bis zum 3. November erlebt die Lütkemüller-Orgel in der Georgenkirche in Waren gewissermaßen ihre Wiedergeburt. Zur Hauptveranstaltung am Reformationstag wird unter anderem ein Festgottesdienst mit Musik zu erleben sein. Danach kann man Orgelpfeifen ersteigern und dem Orgelbaumeister Kristian Wegscheider bei seinem Bericht über die Restaurierung lauschen. Ein Festkonzert mit dem Prager Orgelvirtuosen Pavel Cerny beschließt den Nachmittag. „Er ist ein begnadeter Improvisator und wird die Orgel vor den Ohren des Publikums improvisierend entdecken und die zartesten und kräftigsten Klänge entfalten“, kündigt Christiane Drese an.