
Die Malchower Hebamme Christiane Ulrich reist regelmäßig nach Mexiko, um dort indigene Frauen und ihre Familien zu unterstützen und die Menschen zu treffen, die über die Jahre zu Freunden geworden sind. Am 20. Januar erzählte sie in der Malchower „Werleburg“ einem Publikum von rund 45 Leuten von den Erfahrungen in ihrer zweiten Heimat. Die Veranstaltung wurde von der Stadtbibliothek Malchow organisiert.
Seit über zehn Jahren ist Christiane Ulrich eng mit Mexiko verbunden. In dieser Zeit hat die Malchower Hebamme, die zuvor über dreißig Jahre in Berlin gelebt hatte, mehrere Reisen unterschiedlicher Länge in das mittelamerikanische Land unternommen. Ihr Anlaufpunkt war und ist stets die im äußersten Süden gelegene Provinz Chiapas mit der Stadt San Cristóbal de las Casas und der vierzig Kilometer entfernt gelegenen Ortschaft Zitim, in der mehrere indigene Großfamilien leben. „Obwohl ich schon 49 Jahre alt war, als ich im Jahr 2012 das erste Mal nach Mexiko reiste, kann ich sagen: Ich habe in diesem Land meine zweite Heimat gefunden“, sagt Christiane Ulrich. Diese Aussage nahm die Wahl-Malchowerin bei ihrer Live-Reportage am 20. Januar ab 19 Uhr in der „Werleburg“ gewissermaßen als Ausgangspunkt, dem interessierten Publikum zu erläutern, wie es dazu gekommen war und was genau sie in Mexiko tut.
Vor über zehn Jahren arbeitete Christiane Ulrich in ihrer Hebammenpraxis in Berlin. „Damals stellte sich mir immer wieder die Frage, ob das nun alles so bleiben soll. Dabei kam mir mein Kindheitstraum Mexiko in den Sinn und ich entschied: Dorthin wollte ich.“ 2012 flog sie dann in das Land auf der anderen Seite des Atlantiks und begann im „Hogar Comunitario“ in San Cristóbal als Freiwillige tätig zu werden. Dies ist ein Frauenhaus, wo man sich vor allem um schwangere indigene Frauen kümmert. Gleich nach ihrer Anreise unterstützte die deutsche Hebamme ihre mexikanische Kollegin bei der ersten Geburt im Frauenhaus nach ihrer Anreise. In den folgenden Jahren bis heute verbrachte sie immer wieder Zeiträume von mehreren Monaten bis zu einem Jahr vor Ort und wohnte und arbeitete dabei vor allem in Zitim. Dort hat sie sich mit Hilfe der Einheimischen ein kleines Haus errichtet und mitgeholfen, eine einfache Klinik aufzubauen.
Wenn Christiane Ulrich über die indigene Bevölkerung der Region spricht, hört man heraus, dass sie über die Zeit unmittelbar an ihrem Leben, an ihren Sorgen und ihren Freuden teilgenommen und diese Menschen liebgewonnen hat, was Kritik an manchen Verhaltensweisen nicht ausschließt. Am Leben der Frauen und ihrer Familien zeigte sie im Vortrag, den sie mit Fotos und einem Kurzfilm illustrierte, wie nahe oft die negativen und positiven Aspekte der indigenen Lebensweise zusammenliegen: Einerseits sind die Kinder der Frauen, die ins Frauenhaus kommen, oft durch Vergewaltigung oder Inzest entstanden. Viele indigene Frauen verhüten nicht, daher haben sie nicht selten zwischen sechs und zwölf Kindern. Fehl- und Mangelernährung tun ihr Übriges dazu, dass die Säuglings- und Müttersterblichkeit in diesen Familien relativ hoch ist. Andererseits leisten die indigenen Frauen, die als Hebammen arbeiten, unter schwierigen Bedingungen Erstaunliches. „Diese Frauen haben keine formale medizinische Ausbildung oder gar ein Studium absolviert. Aber sie spüren die göttliche Gabe in sich, kundig Geburtshilfe leisten zu können, und betrachten diese Gabe als Pflicht, die es zu erfüllen gilt. Sie arbeiten unter anderem mit Bädern, Massagen und Bandagen – einige dieser Techniken habe ich mir abgeschaut“, erzählt Christiane Ulrich.
Der Aufenthalt in dem Maya-Dorf brachte die Deutsche im Übrigen dazu, sich von ihrer großstädtischen Lebensweise in Berlin zu entfremden. „Da ich immer gerne in Mecklenburg gewesen war, suchte ich daher gezielt dort nach einem neuen Lebensmittelpunkt - und fand ihn in Malchow.“ Seit dem ersten Januar 2021 ist sie als freiberufliche Hebamme in der Inselstadt tätig. Von Ende Februar bis Anfang April wird sie allerdings nicht hier Geburtshilfe leisten können. Da steht die nächste Reise in den Süden Mexikos an. Christiane Ulrich wird dann sehen, wie es ihrer Freundin Luisa und deren Familie geht, mit denen sie sonst nur über WhatsApp Kontakt hält. Auch ihr Haus in Zitim wartet auf sie, dass in ihrer Abwesenheit als eine Art Gästeunterkunft genutzt wird. Christiane Ulrich wird zudem Geld im Gepäck haben, das der selbstverwalteten Klinik in der Ortschaft zugutekommt: Denn die Hälfte des Eintrittspreises der Veranstaltung vom 20. Januar soll als Spende in den Etat der Einrichtung fließen.