
Fünfzehn Frauen und ein Mann, die oft und gern Worte zu Papier bringen, fachkundig instruiert und motiviert von der Leiterin Dagmar Mayer: Das sind die „Müritzer Schreibfedern“. Seit seiner Gründung im November 2021 hat dieser Literaturzirkel zahlreiche Texte geschrieben und präsentiert. „Unser nächstes großes Ziel ist es, eine Anthologie mit ausgewählten Geschichten und Gedichten herauszubringen. Dafür haben wir bereits Fördermittel beantragt“, sagt Dagmar Mayer.
Wenn Dagmar Mayer über ihr eigenes Leben schreiben will, bietet dieses eine Fülle an Stoff: Geboren 1940 im thüringischen Sondershausen, lernte sie zunächst Sekretärin und absolvierte dann ein Kulturstudium in Meißen und an der Filmhochschule Babelsberg. Sie war unter anderem als Sekretärin, Klubleiterin, Filmtheater- und Organisationsleiterin an verschiedenen Orten der DDR tätig. Sechs Jahre lebte und arbeitete sie in Ungarn. 1986 kehrte sie in ihre thüringische Heimat zurück. Vor zwei Jahren zog sie nach Waren, wo ihr Sohn mit seiner Familie lebt. Das Schreiben begleitet sie seit ihrer Schulzeit. Unter anderem leitete sie eine Autorengruppe in Erfurt und veröffentlichte mehrere Bücher. „Manchmal kommen Leute zu mir und sagen: Mein Leben ist doch im Vergleich zu deinem eher langweilig – worüber soll ich denn da schreiben? Diesen Leuten helfe ich dann dabei, die Ereignisse in ihrem Leben zu finden und zu schildern, die sie ausmachen.
Oft entstehen daraus interessante und lesenswerte Texte“, sagt die Wahl-Warenerin. Neben ihrer eigenen kreativen Tätigkeit ist es ihre Mission, Menschen zum Schreiben zu motivieren und sie dabei zu unterstützen, das zu Papier zu bringen, was gewissermaßen in ihnen ist. Dass man dabei gemeinsam an der Form feilt, gehört dazu. „Als ich nach Waren gezogen war, suchte ich wieder eine Schreibgruppe, der ich mich anschließen könnte. Doch es gab weit und breit keine. Daher entschloss ich mich, selbst eine zu gründen. Auf meine kleine Annonce mit drei Zeilen antworteten knapp 30 Interessenten.“ So starteten am 15. November 2021 die „Müritzer Schreibfedern“ mit 15 Teilnehmern. Die Zahl ist konstant geblieben. Heute besteht die Gruppe aus 15 Frauen und einem Mann und natürlich Dagmar Mayer selbst. Fast alle Hobby-Schreiber haben schon den Ruhestand erreicht. Sie zählen zwischen 60 und 85 Jahren. Darunter sind Frauen, die Dagmar Mayer als „Zeitzeugen“ bezeichnet. „Sie haben noch das Ende des Krieges und die Nachkriegszeit mit all ihren Wirren erlebt. Es ist wichtig, dass die Geschichten aus dieser Zeit aufgeschrieben und nicht vergessen werden.“ Auch eine gebürtige Polin, Lidia, ist unter den „Schreibfedern“. Sie spricht und schreibt perfektes Deutsch und bringt ihren individuellen Blickwinkel ein, so wie die anderen Mitstreiter auch. „Der persönliche Schreibstil der Leute kristallisiert sich nach und nach heraus. Einige schreiben lieber Prosa, andere lieber Gedichte, manche beides. Manche haben eine satirische oder humorvolle Herangehensweise, so wie unsere Gruppensprecherin Barbara Kayser und ich, andere schreiben eher sachlich.“ Der Literaturzirkel firmiert offiziell als Selbsthilfegruppe, weil es für viele Menschen auch einen therapeutischen Effekt hat, sich Dinge von der Seele schreiben und sie so verarbeiten zu können.
Die „Schreibfedern“ arbeiten jeden Montag von 10 bis 13 Uhr konzentriert in der Bibliothek des „Schmetterlingshauses“ in Waren-West an ihren Texten. „Ich stelle ihnen zu Beginn meist eine Aufgabe. Zum Beispiel ziehen sie ein Wort oder einen Satz und bekommen dann eine Stunde Zeit, um diesen textlich zu verarbeiten. Beim anschließenden Vorlesen bin ich immer wieder beeindruckt, wie unterschiedlich sie diesen Ausgangspunkt interpretieren – von Ballade über Krimi oder Biografie bis zur Liebesgeschichte kann da alles dabei sein“, erzählt Dagmar Mayer. Die Leiterin liest danach alle Texte noch einmal zu Hause in Ruhe durch, überarbeitet, gibt Tipps. Eine Arbeit, die jede Woche mehrere Stunden in Anspruch nimmt. Was gut ist, hebt sie auf – für das Literaturcafé im „Schmetterlingshaus“, das einmal monatlich stattfindet, und die geplante Anthologie, von deren rund 160 Seiten jeder Teilnehmer etwa zehn füllen soll. Für den Druck hat die Gruppe Fördermittel beantragt, über deren Bewilligung im Mai entschieden werden wird. Die Anthologie mit dem Titel „Heimat - Liebe, Lust, Leidenschaft“ soll zum zweiten Geburtstag der „Schreibfedern“ im November erscheinen. Bei dieser Arbeit, speziell der Auswahl und dem Redigieren, wird die Gruppe von dem Dresdner Schriftsteller und Dozenten Dr. Günter Gießler unterstützt. Dieser bietet im Juni im thüringischen Kloster Donndorf an der Heimvolkshochschule eine Weiterbildung an, zu der fünf der „Schreibfedern“ reisen werden. „Dieser Kurs ergänzt unseren Lehrplan hier ideal“, sagt Dagmar Mayer. Zu dem, was sie hier vermittelt, gehören auch Techniken, den Schreibstoff zu sortieren und festzuhalten. „Möchte man beispielsweise eine Autobiografie schreiben, sollte man zunächst einen Zeitstrahl mit den Etappen seines Lebens anlegen und die entsprechenden Kategorien dann nach und nach füllen: mit Ereignissen, die einen geprägt haben, aber auch kleinen Vorkommnissen, an die man sich erinnert.“ Sie empfiehlt auch, sich von Fotos und anderen Alltagsgegenständen inspirieren zu lassen. „Ich habe mir zudem eine kleine Kiste angelegt, in die ich regelmäßig Zettel mit Wort- und Satzsplittern hineinlege, die mir aufgefallen sind und die ich vielleicht einmal verwenden kann.“
Am 2. Mai von 15 bis 16.30 Uhr laden die „Müritzer Schreibfedern“ zum mittlerweile zwölften Literaturcafé in den Veranstaltungsraum des „Schmetterlingshauses“ ein. Neben „neuen stimmungsvollen Geschichten, Gedichten und Gesprächen für jedermann“, wie auf dem Flyer zu lesen, erwarten das Publikum Kaffee, Kuchen und Bowle. „Nachdem wir beim ersten Literaturcafé mit nur fünf Gästen gestartet sind, ist unser Raum mit rund 50 Plätzen nun oft so voll, dass wir noch zusätzliche Tische und Stühle hineinstellen müssen. Über diese Resonanz freuen wir uns sehr“, kommentiert Dagmar Mayer und weist darauf hin, dass man die „Schreibfedern“ auch für Lesungen außerhalb des „Schmetterlingshauses“ buchen kann. Wer daran Interesse hat, kann direkt mit der Leiterin Kontakt aufnehmen: dagmar-mayer@web.de.