
Am Samstag konnten Malchower und Gäste der Inselstadt ab frühem Abend rund um das Kloster Außergewöhnliches erleben: Von 17 Uhr bis etwa 21 Uhr waren zum einen die Türen des Kunst- und des Orgelmuseums für einen kostenlosen Besuch geöffnet. Die Museen konnte man auch mit einer kleinen Museumstour entdecken. Draußen auf dem Damenplatz wurden Speis und Trank rund um die Feuerschale gereicht. Diese Veranstaltung, „Nachts im Museum“, wurde vom Kultur- und Sportring Malchow (KSR) e. V. organisiert.
Eine besondere Attraktion startete zum anderen um 18 Uhr am Portal des Klosterfriedhofs: die rund anderthalbstündige Führung „Friedhofsgeflüster“ mit der Schwarzen Witwe. In deren Rolle war Anja Kretschmer geschlüpft, freiberufliche Kunsthistorikerin aus Rostock. Sie stellte sich den 70 Gästen – die Veranstaltung war ausverkauft – als eine Frau vor, die im Jahre 1870 geboren wurde. Daher trug sie einen langen schwarzen Mantel, einen schwarzen Hut über einer für die damalige Zeit typischen Lockenfrisur und Knöpfstiefel – natürlich ebenfalls in Schwarz. So entführte Anja Kretschmer ihr Publikum ans Ende des 19. Jahrhunderts. „Viele haben sich sicher schon mal die Frage gestellt, wie damals gestorben wurde“, begann die Schwarze Witwe die Tour über den Malchower Klosterfriedhof – und in die Vergangenheit. Beim Wandeln über den Friedhof wurde es von Station zu Station dunkler. Nur einige kleine Fackeln markierten den Weg. Gut, dass Anja Kretschmer die Zeichnungen, mit denen sie ihren Vortrag illustrierte, mit Lichtquellen erhellen konnte, die es im 19. Jahrhundert noch nicht gab. Sie erzählte vom Sterben zu Hause, von Totenwachen, vom Entstehen der Friedhöfe, von Vögeln und anderen Tieren, die mit dem Tod in Verbindung gebracht werden, von Totenfrauen und Leichenbittern, von Begräbnissen und Leichenschmaus und den Pflichten von Witwen und Witwern.

Todernst war der Rundgang mit der Schwarzen Witwe dabei nicht. Oft war ihr „Wussten Sie eigentlich, dass....?“ zu hören, gefolgt von perlendem Lachen. Sie streute kurze Legenden, Geschichten, Anekdoten und Märchen ein, wie das von der Taube, die den Bauern vor dem nahenden Tod seiner Frau warnt, und das vom Totenhemdchen, wo ein toter kleiner Junge seiner Mutter im Traum erscheint und sie bittet, ihn loszulassen und ins Leben zurückzukehren. Traurig und tröstlich zugleich sind diese Geschichten oft. Am Ende der Führung – es ist nun vollständig dunkel – versammelte Anja Kretschmer ihr aufmerksames Publikum wieder am Ausgangsort der Veranstaltung, hinter dem Friedhofsportal. Als Abschluss führte sie mit den Gästen ein kleines Ritual mit Seifenblasen durch und gab jedem Teilnehmer noch ein Schutzsalz mit, das beim Streuen über beide Schultern vor „Aufhockern“ bewahren sollte - Seelen, die den Friedhof quasi als Trittbrettfahrer der Besucher verlassen und diese danach schwächen wollen. Dann entließ sie die applaudierenden Gäste gewissermaßen zurück ins Leben.
Mit ihren Friedhofsführungen, Lesungen und Vorträgen ist die promovierte Kunsthistorikerin bundesweit unterwegs. Oft gibt sie den Veranstaltungen einen regionalen Bezug – in Malchow ging sie beispielsweise auf die Entstehung des Malchower Friedhofs und der Friedhofshalle ein. Bei einem Teil ihrer Veranstaltungen ist Anja Kretschmer historisch kostümiert zu erleben, den anderen bestreitet sie in moderner Kleidung. Für den 18. März hatte der Organisator Kultur- und Sportring (KSR) den ersten Teil ihrer „Friedhofsgeflüster“-Reihe gebucht, der „Von Leichenbittern, Wiedergängern und Totenkronen“ heißt und sich mit Tod und Begräbnis in früheren Zeiten beschäftigt. Die anderen beiden Teile mit den Namen „Von Totenwache, Haarschmuck und Post-Mortem-Fotografie“ und „Von Leichenraub, Leichenfett und Totenhänden“ befassen sich jeweils mit der Kultur der Trauer und dem Tod als Geschäft. Zum Thema „Friedhofsgeflüster“ hat Anja Kretschmer auch ein Buch geschrieben. Auf ihrer Homepage ist zu lesen, dass sie früher bei Beerdigungsinstituten gearbeitet hat und als Trauerrednerin tätig ist. So hat sie sich über die Jahre ein umfangreiches Wissen zu dem gleichzeitig morbiden und faszinierenden Thema Tod erarbeitet, mit dem sie ihr Publikum beeindruckt, so wie am Abend des 18. März die Malchower.