Pionierlager am Lenz in Malchow
Reise in die Vergangenheit der DDR-Ferienfreizeit

Im Malchower Ortsteil Lenz am Plauer See stand zu DDR-Zeiten das Zentrale Pionierlager „Fritz Heckert“ für Ferienfreizeiten. Pro Durchgang konnten dort über tausend Kinder und Jugendliche einen Teil ihrer Ferien verbringen. Die Pioniere und FDJler, die in diesem Lager meist zwei Wochen verbrachten, stammten überwiegend aus Berlin. Auch der Trägerbetrieb des Lagers war in der Hauptstadt der DDR angesiedelt, das Wohnungsbaukombinat Berlin (WBK). Insgesamt achtundvierzig solcher Lager gab es in der DDR. Wahrscheinlich sind während des politischen Umbruchs in der DDR im Jahr 1989 und danach die meisten Unterlagen verschwunden, die Details zum Zentralen Pionierlager „Fritz Heckert“ geben könnten. Vielleicht schlummern sie auch noch in irgendwelchen Archiven. Doch es gibt Malchower, die in diesem Pionierlager gearbeitet haben und darüber berichten können. Zwei davon sind Hannelore Horn, die während ihres Pädagogikstudiums ein Praktikum als Betreuerin von Kindergruppen dort absolvierte, und Wolfgang Libnau, der im Lager einen Ferienjob hatte, als Rettungsschwimmer beschäftigt war und auch im Rahmen eines Studienpraktikums damit zu tun hatte. Beide erzählen, dass pro Belegung um die tausend Kinder und Jugendliche im Lager waren.
„Die letzte Belegung in der Saison entfiel in der Regel auf FDJler, von der Zahl her meist etwas weniger als die Kinder. Die FDJler mussten übrigens vom Bahnhof Malchow, wo sie angekommen waren, zum Lager und zurücklaufen. Die Jüngeren wurden mit Bussen oder LKWs gebracht“, erinnert sich Wolfgang Libnau. Er ist heute 70 Jahre alt und hat das Pionierlager zwischen der zweiten Hälfte der 1960-er Jahre und 1970 erlebt. Hannelore Horn, heute 84 Jahre, war etwas eher dort, um 1960. Sie berichtet davon, dass die Belegungen in drei oder vier Bereiche aufgeteilt gewesen wären. In einem seien auch Westberliner Kinder untergebracht gewesen, mit denen es aber wenig Berührungen gegeben habe. Wolfgang Libnau kennt für diese Bereiche den Begriff „Lagerfreundschaften“. Libnau erzählt auch darüber, wie das Lager zu seinen Zeiten aufgebaut war: In der Mitte sei eine Lagerstraße verlaufen. Links von dieser hätten sich Küche und DRK-Lager befunden, rechts das Wirtschaftsgebäude. Auf dem Hügel habe es eine Baracke für verschiedene Aktivitäten gegeben, wo man sich auch Spiele ausleihen konnte. Hinten auf dem Gelände sei eine Freilichtbühne aus Stein gewesen. Nach den Aussagen von Wolfgang Libnau und Hannelore Horn hatte jede „Lagerfreundschaft“ ihren eigenen Bereich mit Sanitärgebäuden. Die Kinder und Jugendlichen wohnten in Mehrpersonenzelten. Kulturgebäude und Speiseraum teilte man sich. Hannelore Horn berichtet, wie der Tag im Pionierlager zu ihrer Zeit verlief: Nach dem Wecken wurde Frühsport gemacht, dann ging es im Gleichschritt zum Frühstück.
Das Essen wurde „in Schichten“ zu festen Zeiten in einem Essenszelt oder einer Essensbaracke eingenommen. Die Vormittage verbrachten die Kinder meist mit den Betreuern am Strand in Lenz. Hannelore Horn war damals um die 20 Jahre alt und zusammen mit ihrer Studienfreundin für eine Gruppe Kinder verantwortlich, die aus Berlin-Weißensee stammten und zwischen zehn und zwölf Jahren alt waren. „Natürlich hätten sich auch Wanderungen im Wald angeboten. Aber davor wurde gewarnt, weil immer noch Gefahren von den Resten des Munitionswerkes drohten. Dazu mussten wir die Kinder auch belehren.“ Ausflüge nach Malchow seien relativ selten gewesen. Ab und an sei man zur Lenzer Höh gegangen. Nach dem Mittagessen hielt man Mittagsruhe. Abends hätten die Kinder oft unter Anleitung der Betreuer Bewegungsspiele gespielt oder sich selbstständig an den Tischtennisplatten beschäftigt. „Sie kamen dann immer zu uns, um Schläger und Bälle zu holen.“ Die ehemalige Betreuerin erinnert sich noch gut an die recht spartanischen Sanitäranlagen: Man wusch sich in einer Art Rinne, die außen an den Baracken angebracht war. „Das Schärfste waren aber die Toiletten. Die hatte man zwar neu aufgebaut, aber es waren nichtsdestoweniger Plumpsklos.“ Viele der Berliner Kinder, die damals bereits einen höheren Wohnkomfort gewöhnt waren, kannten solche Toiletten überhaupt nicht.
Um Gerüche und Keime abzutöten, benutzte man dort auch große Mengen Chlors, von dem die Augen tränten, erzählt Hannelore Horn. Wolfgang Libnau weiß auch noch genau, welches große Ereignis die An- und Abreisen so vieler Kinder und Jugendlicher für Malchow bedeuteten: „Sie kamen ja immer mit Sonderzügen aus Berlin an, die schätzungsweise aus sechs Doppelstockwagen bestanden, damit alle Platz fanden. Genauso reisten sie natürlich wieder ab. Wenn sich über tausend Pioniere oder FDJler durch Malchow bewegten, war das etwas Besonderes.“ In seiner Zeit im Lager hat sich Libnau übrigens mehrfach mit der Tochter Erich Honeckers unterhalten, mit Sonja, die mit den unzähligen anderen Kindern dort die Ferien verbrachte. Hohen Besuch hat das Pionierlager auch bekommen. So sei beispielsweise der bekannte Parteifunktionär Konrad Naumann dort gewesen. Was bleibt von der Zeit des Zentralen Pionierlagers am Lenz? Hannelore Horn bewertet diese Episode heute so: „Wir Betreuer haben dort die Aufgaben erfüllt, die man uns gab. Aber am Ende war es eine gute Erfahrung. Und den Kindern hat es meinem Eindruck nach gefallen.“ Wolfgang Libnau weiß, dass das Lager selbst nach der Schließung eine Weile leer stand. Wann genau die Gebäude abgerissen wurden, kann er sich nicht erinnern. Heute steht auf dem Gelände der „Ferienpark Lenz.“