Podiumsdiskussion in Waren (Müritz)

Mit ihrer angesetzten Podiumsdiskussion hat die Unternehmerinitiative „Müritzer Unternehmer-Aufstand | MV“ am Mittwochabend nicht nur den Nerv etlicher Unternehmer, sondern auch den von zahlreichen Einwohnern und Politikern getroffen. Schon weit vor dem offiziellen Beginn der Veranstaltung waren alle der 410 verfügbaren Plätze im Bürgersaal Waren (Müritz) besetzt. Und einmal mehr zeigte sich, dass gemeinsames Reden und Zuhören der Beginn von Lösungen sein kann.
Zwar stand nach zweieinhalb Stunden als Fazit fest, dass noch längst nicht alle Antworten gefunden und viele Fragen offen sind, aber es war ein Anfang. Ein guter Anfang, wie man schon vorab sagen kann. Aber eben auch nur ein Anfang, doch die geladenen Politiker, die Unternehmerinitiative „Müritzer Unternehmer-Aufstand | MV“ und Gäste im Warener Bürgersaal signalisierten: „Wir müssen und wir wollen weiter miteinander reden und uns zuhören“.
Neben weit über 400 Müritzer Einwohnern und Unternehmern sowie Lokalpolitikern folgten auch die Podiumsgäste Frank Harald Terpe, Landtagsabgeordneter der Grünen, Peter Ritter als Abgeordneter des Landtags MV für Die Linke, Enrico Komning, Bundestagsabgeordneter der AfD, Johannes Arlt, Bundestagsabgeordneter der SPD und Philipp Amthor als Bundestagsabgeordneter der CDU der Einladung zur Podiumsdiskussion.
Als Moderator sprang Markus Häcker kurzfristig ein und führte solide durch die Veranstaltung.

„Sowohl für die Organisatoren als auch für mich ist eine solche Veranstaltung eine Premiere. Fallen Sie niemandem ins Wort und vermeiden Sie Zwischenrufe. Lassen Sie uns ganz höfflich miteinander umgehen“, eröffnete Markus Häcker die Podiumsdiskussion und stellte die Gesprächsgäste Harald Terpe, Peter Ritter, Enrico Komning, Johannes Arlt und Philipp Amthor vor. Alle fünf Politiker wurden herzlich durch die Anwesenden mit Applaus begrüßt.
„Bereits nach einem ersten Treffen der Müritzer Unternehmer mit den Stadtvertretern und dem Bürgermeister der Stadt Waren (Müritz) wurde ein gemeinsamer offener Brief an die Landes- und Bundesregierung auf den Weg gebracht, das ist eine ganz großartige Botschaft“, so Markus Häcker. Gleichzeitig wurde die Podiumsdiskussion angestrebt und kurzfristig organisiert. Ziel dieser Veranstaltung sollte es sein, dass die Politiker Gehör für die Anliegen der Bürger bekommen, aber auch die Einwohner der Müritzregion sehen, wie die Politiker über verschiedene Themen denken. Und es brannten viele Themen den anwesenden Menschen auf der Seele. Einige konnten unmittelbar angesprochen werden. So stieg Markus Häcker mit der ersten Frage ein:
„Der Wunsch nach Frieden hat die Menschen weltweit stehts geeint. Warum werden im Ukraine-Konflikt keine diplomatischen Versuche unternommen, um endlich einen Waffenstillstand einzuleiten?“
Auf diese Frage konnte Peter Ritter als erster antworten. Doch zuerst dankte der Linken-Politiker für die Einladung und für das große Interesse, gemeinsam zu reden. Der Dank wurde durch kräftigen Applaus aus dem Publikum erwidert. Peter Ritter hält es nach eigenen Aussagen grundverkehrt, Waffen vor Gespräche zu stellen. Dennoch sieht er als ersten Ansatz, dass Putin die Truppen zurückzieht, um Gespräche zu ermöglichen. „Waffenlieferungen selber sind aber keine Lösung.“
Auch Philipp Amthor dankte vor seiner Antwort zunächst für die Einladung. „Niemand muss sich dieser Tage entschuldigen, wenn er unzufrieden mit der Bundesregierung ist“, so der CDU-Politiker. „Wir wollen alle eine diplomatische Lösung. Jedoch ist bei keiner der beiden Kriegsparteien, eine Verhandlungsbereitsschaft zu sehen“, so Amthor. „Es braucht weitere internationale Bestrebungen, eine diplomatische Lösung zu finden.“
Enrico Komning, Rechtsanwalt und Baufacharbeiter, stieg in die Antwort auf die Frage ein und meinte: „Es ist eine weit gelebte Demokratie, wenn wir hier gemeinsam sitzen.“ Zur Frage nach Lösungen im Ukrainekrieg blickte Enrico Komning auf die politische Geschichte und forderte „Deutschland darf nicht zum Spielball zwischen Russland und den USA werden. Man muss mit Putin ins Gespräch kommen und das mit erhobenem Haupt, aber auch auf Augenhöhe.“
Johannes Arlt, seines Zeichens Mitglied im Verteidigungsausschuss und Berufsoffizier der Luftwaffe, dankte ebenfalls zunächst für die Einladung und Gesprächsbereitschaft. Mit Blick auf den Ukrainekrieg blickte Johannes Arlt zunächst auf das Ende des zweiten Weltkrieges und die Bildung der UN. „Es wurden Regeln gebrochen und darauf müssen wir reagieren. Das machen wir politisch und wirtschaftlich. Reden ist in einer Demokratie ganz wichtig. Wir haben dort zwei souveräne Länder. Darum müssen wir reden, wir können keine der beiden Staaten zu Verhandlungen zwingen. Wir können beide Parteien nur animieren. Der Westen verhindert keine Friedensverhandlungen“, so der SPD-Politiker.
Harald Terpe, als fünfter Redner im Bunde, nutze auch zunächst die Möglichkeit und dankte zunächst für die Einladung. „Es gebührt denen die Ehre, die diese Möglichkeit geschaffen haben“, eröffnete der Landespolitiker, der kurzfristig die Einladung in Vertretung annahm. Harald Terpe sieht die aktuelle Lage nicht als Ukraine-Konflikt, sondern als Ukraine-Krieg. „Und dieser Krieg dauert nicht erst seit Februar, er dauert schon seit 2008“, so Terpe. „Der Angriffskrieg verstößt gegen alle Abkommen. Wir reden viel über die Ukraine. Aber das ist ein souveräner Staat. Wir können nicht über diese Menschen bestimmen. Ich würde jedes diplomatische Gespräch unterstützen, aber dazu muss es die Bereitschaft beider Länder geben“, erklärte der Grünen-Politiker.

Die zweite Frage, „Die Sanktionen gegen Russland, schaden im Großteil Deutschland. Muss das Erdgas bis 2030 per Vertrag bezahlt werden, ohne dass es abgenommen wird?“, sollten die Politiker eigentlich mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten. Das schien den politischen Vertretern scheinbar nicht möglich. Alle fünf konnten oder wollten das nicht ohne Umschweife beantworten. Für Philipp Amthor war es nicht nachvollziehbar, dass Habeck nach Katar und Scholz nach Kanada fliegt. Für Enrico Komning scheint es klar, dass Russland nach wie vor Gas liefern könnte. „Das sollte von der Regierung geprüft werden. Deutschland hat verfügt, kein Öl mehr aus Russland abzunehmen. Deutschland ist ein Wirtschaftsstandort ohne viele Rohstoffe. Also sind wir abhängig“, so der Politiker, der es rechtlich für möglich hält, dass das Gas auch ohne Abnahme bezahlt werden muss. Auch Johannes Arlt denkt, dass eine Gaslieferung möglich ist. „Selbst wenn wir bezahlen, würde es auf Konten gehen, auf die Russland nicht zugreifen kann“, so Arlt. „Was wäre denn Deutschland für ein Partner, wenn er nicht regieren würde. Wir sind Teil der EU und der NATO. Was wären wir für Menschen, wenn wir nicht zu unseren Partnern stehen würden“, stieg Harald Terpe ein und meinte: „Die Sanktionen waren ein Echo auf das Handeln der Russen. Als Grüner bin ich auch kein Freund von Fracking-Gas, aber wir sind in einer Energiekrise.“ Schließlich brachte es Peter Ritter auf den Punkt. „Sie sehen schon, als Politiker kann man nicht mit ja oder nein antworten. Kanzler Scholz hatte gesagt, es wird keine Sanktionen geben, die Deutschland schaden. Da sieht aber völlig anders aus. Wir spüren die Auswirkungen der Sanktionen und die Einwohner von Russland auch. Da wo sie greifen sollen, kommen sie aber nicht an. Nach einem halben Jahr sollte man die Wirkung der Sanktionen überprüfen. Würde Schwedt nicht im Osten sondern irgendwo im Westen liegen, hätte es schon längst Rettungsversuche und Hilfe gegeben“, ist sich der Linken-Politiker sicher.
Auch die Frage nach steuerlichen Entlastungen für den Mittelstand stand auf dem Fragenkatalog, den die Politiker zur Podiumsdiskussion bekommen hatten. Hier konnte Enrico Komning als erster antworten und der stellte fest, dass „99% in Deutschland im Mittelstand sind und vorwiegend das Bruttosozialprodukt erwirtschaften. Bürokratie erschwert die Arbeit im Mittelstand.“ Das musste auch Johannes Arlt bestätigen und meinte: „Bürokratie beim Mittelstand muss tatsächlich angegriffen werden.“ Gleichzeitig setzte der SPD-Politiker den Fokus auf die laufenden Maßnahmen. „Wir haben angefangen in der Gastronomie Steuersenkungen durchzusetzen. Das Kurzarbeitergeld und die Insolvenzregeln wurden angepasst. Zwei große Hilfspakete mit 200 Millionen Euro Volumen wurden auf den Weg gebracht. Dieses Geld borgen wir uns aber bei unseren Kindern und Enkeln – diese Schulden müssen über 30 Jahre zurückgezahlt werden.“ Harald Terpe, der froh über die Steuern ist, sieht auch seine sechs Kinder die Schulden abzahlen. „Aber der Staat tut auch viel für diese Steuern. Der Fachkräftemangel begleitet uns schon sehr lange. Da müssen wir noch viel tun“, so der Grünen-Politiker. Für Peter Ritter hat die Politik zu lange „rumgespielt“ und dadurch wertvolle Zeit verschenkt. „Ja, wenn wir so weitermachen, müssen unsere Kinder und Enkel bezahlen. Die Krisengewinner müssen mit einer Übergewinnsteuer abgeholt werden“, forderte Ritter. Dass zu viel Zeit verschwendet wurde, sieht auch Philipp Amthor so. „Dieses Szenario was sie hier jetzt erleben, das konnte man doch schon im Sommer sehen. Anstelle 300 Euro Gasumlage für jeden, sollten 1.000 Euro für die Bedürftigen ausgezahlt werden. Ein Bundestagsabgeordneter braucht keine 300 Euro“, so Amthor.
Die Sorge um die steigende Inflation wurde den Politikern zur schriftlichen Beantwortung mitgegeben. Direkte Antwort gaben die Podiumsgäste zum möglichen Blackout-Szenarium und eine sichere und bezahlbare Energieversorgung in Deutschland. „Blackout Szenario gibt verschiedene Modelle“, so Johannes Arlt, der erklärte, dass zunächst die Gasspeicher vom Bund zurückgekauft werden mussten. Dass die Atomkraft zunächst am Netz bleibt, hält der Politiker für völlig richtig, dennoch müsse der Gasverbrauch um 20 Prozent im Winter gesenkt werden. Einen regelrechten Blackout sieht Arlt nicht: „Wir haben in Mecklenburg relativ gute Stromnetze und erzeugen mehr Energie als wir verbrauchen. Jetzt heißt es, Energie sparen und über den Winter kommen.“ Ähnlich stellt es sich auch für Harald Terpe dar. „Wir haben Stresstests durchgeführt. Wenn die Speicher so gefüllt sind, kommen wir durch den Winter. Aber es gibt natürlich auch Sabotageakte“, erläuterte der Grünen-Politiker. Peter Ritter hat nach eigenen Angaben auch Energieversorger besucht, die einen möglichen Blackout nicht sehen. Dennoch meint der Politiker: „Strom und Wasser gehören in die öffentliche Hand und nicht an die Börse. Wenn man zurückblickt, dann gibt es sicher andere Gründe, als den Ukraine Krieg für die Preissteigerungen.“ Fracking-Gas ist für Peter Ritter keine Alternative, er sieht die Zukunft in erneuerbaren Energien. Für Philipp Amthor ist es völlig absurd, dass Deutschland die eigenen verfügbaren Ressourcen nicht nutzen will und würde weiter auf Atomkraft setzen. „Selbst Greta Thunberg will Atomkraft für Deutschland“, so Amthor. „Die Ideologie der Grünen wird über das Notwendige gestellt. Im Angesicht der Lage werden die Grünen aber im Mai einknicken. Dann brauchen wir neue Brennstäbe, aber die bekommt man nicht sofort bei Amazon Prime“, erklärte der CDU-Mann. Enrico Komning hingegen gestand ein: „Ich habe bereits vorgesorgt. Ich bin nicht so blauäugig, wie Herr Arlt. Wir werden nicht mit Wind und Solar weiterkommen.“ Und so forderte der AfD-Politiker: „Wir müssen zurück zur Atomkraft. Wir haben die sichersten Atomkraftwerke in Deutschland. Wir müssen alles ans Netz bringen, um die Preise zu deckeln.“
Auch wenn Markus Häcker versuchte den Zeitplan einzuhalten, war es mittlerweile 21 Uhr und Zeit für Fragen aus dem Publikum. Diese befassten sich ebenfalls mit den aktuellen Themen sowie Sorgen und Nöten der Bürger. Eine weitere Stunde gab es Fragen und einige Antworten. Aber viele Fragen blieben letztendlich auch noch offen. Darum regte Markus Häcker an, es sollten weitere derartige Podiumsdiskussion folgen. Dem stimmten auch die fünf politischen Gäste zu, die parteiübergreifend einen Dank an die Organisation und Bürgerbeteiligung aussprachen. Als Fazit aus der Diskussion zeigte sich die Bereitschaft zum Reden und zum Zuhören auf Seiten der Politik und der Bürger. Dass die Meinungen dabei auseinandergehen können, ist nach wie vor unbestritten. Aber es kann auch bei allen Emotionen sachlich und ohne sturen Blick auf die Parteizugehörigkeit kommuniziert werden – das hat die jüngste Podiumsdiskussion in Waren (Müritz) gezeigt, welche die Möglichkeit zum offenen Meinungsaustausch bot. Bis weit nach 22 Uhr wurde miteinander geredet, bis der Applaus von über 400 Menschen für alle fünf politisch Verantwortlichen und für die Organisatoren der Veranstaltung, diese beendete. Wer die Podiumsdiskussion im Warener Bürgersaal nicht live verfolgen konnte, hat die Möglichkeit den Stream auf der Facebook-Seite der Initiative „Menschlich – Stark – Miteinander“ im Nachgang anzuschauen.