
Bei der Stadtbibliothek Malchow kann man jetzt neben Büchern auch Saatgut ausleihen. Leiterin Sabine Schöbel hat im Februar dafür ein Regal an zentraler Stelle eingerichtet. In historischen Katalogkästen stecken bereits die ersten Tütchen mit Blumensamen. Die Fachliteratur zum Gartenbau findet man direkt daneben. „Das Projekt steht noch am Anfang, soll aber wachsen – im doppelten Sinne“, sagt die Bibliotheksleiterin.
Eine Bibliothek ist ein guter Platz, um neben den Büchern auch Samen auszuleihen, findet Sabine Schöbel. „Das Mitnehmen und Wiedergeben aller dieser Gegenstände, kurz: das Teilen, hat viel mit Nachhaltigkeit zu tun. Beim Umgang damit wird Wissen vermittelt, es geht also auch um Bildung. Zudem sind wir ein öffentlicher Ort, dessen Angebote jeder nutzen kann“, begründet die Leiterin der Stadtbibliothek Malchow die Neuerung. Daher war sie auch gleich begeistert, als Anfang des Jahres eine Mail von der Fachstelle öffentliche Bibliotheken Mecklenburg-Vorpommern kam, die dafür warb, dass die Bibliotheken eine Idee des „Vereins zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt“ e. V. unterstützen sollten. „Der Verein fördert zwar vor allem Saatgutbibliotheken für Nutzpflanzen, aber wir hier in Malchow möchten auch Zierpflanzen einbeziehen.“ Das Konzept der Saatgutbibliotheken stammt ursprünglich aus den USA, erzählt Sabine Schöbel.

„Dort heißen sie „seed libraries“ und haben ebenso wie wir hier das Ziel, regionales Saatgut und damit regionale Sorten zu erhalten.“ Das Prinzip funktioniert so: Menschen aus der Region bringen Saatgut vorbei, das sortenfest ist. Das heißt, dass die Eigenschaften der Pflanzen von Generation zu Generation gleichbleiben. „Das ist bei handelsüblichem Hybrid-Saatgut nicht so“, kommentiert die Leiterin der Stadtbibliothek. Dann säen die Ausleiher den Inhalt im Garten oder auf dem Balkon aus und bringen später einen Teil des aus den Pflanzen gewonnenen Saatguts wieder in die Bibliothek zurück. In den westlichen Bundesländern Deutschlands findet man bereits eine größere Zahl dieser Einrichtungen. In Mecklenburg-Vorpommern waren es nach Sabine Schöbels Recherchen bisher drei: eine in Ribnitz-Damgarten, eine in Gadebusch und eine in Graal-Müritz. Malchow ist Nummer vier.
Das Regal für die Saatgutbibliothek hat Sabine Schöbel Mitte Februar liebevoll eingerichtet. Es steht gut sichtbar unweit des Ausleihtresens. Die ersten Samentütchen hat die Bibliothekarin in dunkle Katalogkästen gesteckt, die historisch sind. Rund um diese liegen Gartenbücher und Zeitschriften griffbereit. Die Bibliotheksmitarbeiterinnen freuen sich, wenn die Leute zu Hause das Saatgut bereits vorbereiten: trocknen, in Tütchen abfüllen und darauf Sorte und Farbe angeben. Später soll eventuell jemand auf ehrenamtlicher Basis beim Erfassen und Ausgeben des Saatguts helfen. „Noch steht das Projekt natürlich am Anfang, aber es wird wachsen, im doppelten Sinne“, meint Sabine Schöbel. Spätestens zur Erntezeit im Herbst, ist sie zuversichtlich, werden zu den ersten Tütchen in den Schiebern weitere hinzukommen. „Die Pionierin unter den Spendern war Buchhändlerin Heike Elzemann, die mir mehrere Tütchen ihrer Stockrosensamen gegeben hat. Doch ich habe bereits weitere potentielle Spender angesprochen.“ Blumen-, Gemüse- und Kräutersamen, alles ist willkommen. Die Bibliotheksleiterin wirbt über Plakate und Aushänge, Beiträge im „Malchower Tageblatt“ und Einträge in den sozialen Medien für das Projekt. „Doch vor allem setze ich auf das persönliche Gespräch mit den Leuten, die zu uns kommen. Die Resonanz auf die entstehende Saatgutbibliothek war bisher durchgehend positiv“, berichtet Sabine Schöbel.