
Am zurückliegenden Wochenende bot die Erzählkirche Sietow jeweils einen mehrstündigen kombinierten Sensen- und Dengelkurs an. Angeleitet von Sensenlehrer Hartmut Winkels, lernten die je acht Teilnehmer, wie man effektiv und schonend senst und seine Sense mit Hammer und Wetzstein schärft. Gemeindepädagogin Susanne Heinrich, deren Idee diese Veranstaltung war, zeigte sich beeindruckt von der Resonanz: „Wir konnten gar nicht alle Interessenten aufnehmen, so dass es bereits eine Warteliste für die geplante Wiederholung im nächsten Jahr gibt.“
Das Gras auf der Wiese hinter der Erzählkirche in Sietow-Dorf stand hoch. „Wir haben es extra wachsen lassen und lange nicht gemäht, damit die Teilnehmer des Kurses sich daran versuchen können“, berichtete Susanne Heinrich, die Gemeindepädagogin. Auf einem Streifen allerdings lagen die Halme bereits geschnitten auf der Erde. Dort hatten die Schüler aus dem Samstagskurs von kurz nach neun Uhr bis mittags die Sense geschwungen, nachdem sie eine theoretische Einweisung von Lehrer Hartmut Winkels erhalten und die Arbeitsinstrumente auf ihre Körperlänge eingestellt hatten, um effektiv und gelenkschonend mähen zu können. Damit der Sensenlehrer ihre Körperhaltung und ihre Bewegungen überwachen und korrigieren konnte, waren bewusst nur acht Plätze zu vergeben gewesen. Diese waren schnell belegt, erzählte Initiatorin Susanne Heinrich: „Dass der Samstagskurs voll wird, damit hatte ich gerechnet. Doch auch der Sonntagskurs, den wir zusätzlich angeboten haben, war bald ausgebucht. So haben wir die Namen derjenigen notiert, die keinen Platz mehr bekommen haben. Diese werden dann bei dem geplanten Wiederholungskurs im kommenden Jahr bevorzugt berücksichtigt.“ Dank einer Förderung kostete der Tageskurs pro Person 85 Euro. Sonst wäre er etwas teurer gewesen.
Nach fast vier Stunden körperlicher Arbeit genossen die Teilnehmer des 10. Juni nun in den Räumen der Erzählkirche ihr Mittagessen. Den noch ungemähten Teil der Wiese hatten sie für den Sonntagskurs übriggelassen. Ab 14 Uhr erwartete sie der zweite Teil, das Dengeln. Auch dies muss man gut beherrschen, wenn man beim Sensen etwas schaffen will, heißt es doch nicht umsonst: „Wer beim Dengeln schläft, wird beim Sensen wach.“ Hartmut Winkels hatte für jeden Teilnehmer einen Dengelbock zum Sitzen und Arbeiten aufgestellt und demonstrierte die richtige Technik. „Zunächst wird die Klinge mit dem Hammer dünn geklopft, danach mit dem feuchten Wetzstein der Grat entfernt, damit sie scharf wird“, erläuterte Frank aus Beelitz, der ab Juli ebenfalls als Sensenlehrer arbeiten wird und sich hier noch einiges von Hartmut Winkels abschaute. Er zeigte auf einen Plastebehälter: In diesem sogenannten „Kumpf“, den man an den Gürtel stecken kann, führt man den Wetzstein mit, wenn man auf dem Feld arbeitet. So kann man bei Bedarf die Sense vor Ort nachschärfen. Der Beelitzer hatte in seiner Kindheit Kaninchenfutter manuell gemäht und vor etwa vier Jahren sein Wissen bei einem Sensenkurs aufgefrischt. Nun möchte er seine Kenntnisse unter anderem bei einer Organisation in seiner Heimat weitergeben, die sich für den Erhalt der Streuobstwiesen einsetzt.
Susanne Heinrich und Hartmut Winkels haben bei der Begrüßungsrunde erfragt, warum die Teilnehmer, die aus Sietow, der Müritzregion, aber auch aus Mitteldeutschland stammten, sich für den Sensenkurs eingeschrieben hatten: „Viele hatten ihre Großeltern früher bei dieser Arbeit beobachtet, aber nicht genau aufgepasst, wie man eine Sense handhabt. Heute haben sie ein großes Grundstück und wollen es sinnvoll mähen“, berichtete die Gemeindepädagogin. Und tatsächlich spricht einiges für die uralte Kulturtechnik des Sensens, wenn man sie mit dem maschinellen Rasenmähen vergleicht: Sensen macht keinen Lärm, verursacht keine Abgase, hält fit, ist entspannend, wenn man es gut beherrscht. Man kommt auch in schlechte zugängliche Teile des Gartens und erschließt sich seinen persönlichen Bereich der Natur Schritt für Schritt durch körperliche Arbeit. Auch Tier und Pflanze profitieren: Der Rasen kann sich regenerieren, die Artenvielfalt bleibt erhalten, tierische Bewohner können noch flüchten, bevor die Sense naht. Das entstehende Heu kann man als Futter nutzen. Auf lange Sicht entsteht eine naturbelassene Fläche, auf der Insekten Nahrung finden. „Wenn man den Rasen mit der Sense pflegt, entwickelt sich eine Blühwiese von selbst“, so fasste es Teilnehmerin und Mitorganisatorin Regina Möller zusammen.
Dass dieses wertvolle alte Handwerk neu belebt wird, ist unter anderem dem Engagement des Sensenvereins Deutschland e. V. zu verdanken, dem Hartmut Winkels angehört. „Ich hatte in einer Zeitschrift darüber gelesen und dachte sofort, dass ein Sensenkurs etwas für unsere Kirche wäre“, erzählte Susanne Heinrich, die sich selbst für den Sonntagskurs eingeschrieben hat. Auf der Homepage des Sensenvereins findet man eine Liste der deutschlandweit buchbaren Sensenlehrer. Hartmut Winkels, der aus dem Rhein-Sieg-Kreis kommt, bietet rund 20 Kurse pro Jahr an. Der eloquente Nordrhein-Westfale, der ursprünglich im Bankgewerbe tätig war, hat sich im Übrigen gleich drei alten Handwerken verschrieben: als Sensenlehrer, Besenbinder und Spankorbflechter.