Die Fleesenseeschule Malchow verfügt über einen sogenannten Trainingsraum für Schüler, die im Unterricht mehrfach gegen Regeln verstoßen haben. Hier können sie unter Aufsicht über ihr Verhalten reflektieren und überlegen, wie sie dies in Zukunft ändern sollten. „Der Trainingsraum ist aber vor allem auch ein Instrument, um die Mehrheit der lernbereiten Schüler vor Störungen zu schützen“, betonen Liesa Langschwager und Regine Schultz, die beiden Koordinatorinnen der Arbeitsgruppe Trainingsraum. Um die Aufsicht sicherzustellen, hat die Schule Bewerbungsgespräche mit Externen geführt. Zwei davon wurden kürzlich eingestellt.
Der Trainingsraum in der Fleesenseeschule Malchow ist ein schmales, schlicht ausgestattetes Zimmer im Erdgeschoss der Bildungsstätte. Zwischen Bücherregalen stehen vier Tische mit je einem Stuhl. Einer davon ist für die Aufsicht gedacht, die anderen für die Schüler, die in den Raum geschickt werden. „Wir haben ihn bewusst so gestaltet, dass man darin nicht viel Ablenkung hat“, sagt Liesa Langschwager. Sie koordiniert gemeinsam mit ihrer Kollegin Regine Schultz die mehrköpfige Arbeitsgruppe Trainingsraum, zu der neben Lehrkräften auch die beiden Schulsozialarbeiterinnen gehören. „Der Trainingsraum in der Fleesenseeschule existiert seit 2019. Wir haben das Konzept gefunden, als wir nach einem Instrument suchten, um Schüler, die gegen unsere Regeln verstoßen, über ihr Verhalten reflektieren zu lassen und vor allem auch die Mehrheit der lernbereiten Schüler zu schützen“, erläutert Regine Schultz. Die Idee des Trainingsraums, auch Spiegelraum genannt, entstand in den 70-er Jahren in den USA. Bevor die Fleesenseeschule einen solchen Raum in ihrem Haus etablierte, besuchten einzelne Lehrkräfte andere Schulen, die bereits mit dem Werkzeug arbeiteten, und schauten sich an, wie die Konzeption dort umgesetzt wird. Da die Schülerschaft zunehmend heterogener wird und weil aus finanziellen Gründen oft kein Betreuer für Schüler mit besonderen Bedürfnissen mehr gestellt wird, musste man schnell eine Lösung dafür finden, wie man mit Regelverstößen wirksam umgehen kann.
Fehlverhalten kommt dabei sowohl bei den Schülern des Regionalschulzweigs als auch bei den Schülern des gymnasialen Zweigs vor. Die Palette ist breit: Die Kinder und Jugendlichen, um die es geht, machen beispielsweise störende Geräusche, bekommen Wutanfälle, weil sie nicht beachtet werden, oder beteiligen sich einfach nicht am Unterricht. „Wir messen es daran, dass sie gegen unsere drei Grundregeln verstoßen haben. Diese besagen sinngemäß, dass Schüler und Lehrer das Recht auf einen störungsfreien Unterricht haben und jeder mit jedem respektvoll umgehen muss“, fasst Liesa Langschwager zusammen. Nach jeweils zwei Ermahnungen, die mit gelb und orange im digitalen Klassenbuch vermerkt werden, hat das dritte Fehlverhalten die Stufe Rot zur Folge und die Anordnung: „Du begibst dich jetzt direkt zum Trainingsraum!“ Da die Schüler den Weg kennen, ist auch der Aufsichtspflicht Genüge getan. „Im Trainingsraum meldet sich der Schüler bei der Aufsicht und erhält den sogenannten Rückkehr-Plan, ein beidseitig bedrucktes Blatt zur Reflexion“, sagt Regine Schultz. Allein oder mit Hilfe der Aufsicht schreibt er zum Beispiel nieder, was er falsch gemacht hat, welche Alternativen es gegeben hätte und wie sich das Verhalten auf die anderen ausgewirkt hat. „Der Schüler notiert am Ende auch, wie er den versäumten Unterrichtsstoff nachholen wird“, ergänzt Liesa Langschwager. Drei Minuten vor Stundenschluss darf er mit dem ausgefüllten Blatt den Raum verlassen und muss den Bogen bei der Lehrkraft, die ihn in den Raum geschickt hat, signieren lassen. Wenn diese die Reflexion nicht akzeptiert, geht es zurück in den Trainingsraum. Die Eltern erfahren unverzüglich über die Schul-App, durch einen Anruf der Aufsicht oder einen Eintrag im Hausaufgabenheft über die Maßnahme. Muss ein Schüler wiederholt in den Trainingsraum, folgen dann zwingend Gespräche mit den Eltern und den Fachlehrern und auf höherer Stufe mit der Schulleiterin. Wenn auch dies nicht fruchtet, wird der Schüler beispielsweise eine Weile in einer anderen Klasse beschult.
Der Trainingsraum ist in der Regel von der ersten bis zur neunten Stunde besetzt. Im Schnitt landen zwei bis drei Schüler pro Woche dort, schätzen Liesa Langschwager und Regine Schultz. „Interessanterweise kommen sie aus allen Klassenstufen und aus beiden Zweigen gleichermaßen“, so die Erfahrung der beiden Lehrerinnen. Die Schule wendet die Maßnahme bis zur zehnten Klasse an. Nach ihrem Eindruck ändern rund achtzig Prozent der betreffenden Kinder danach ihr Verhalten. Bei einer Minderheit von rund zwanzig Prozent bringt das Konzept leider nichts. Doch Liesa Langschwager und Regine Schultz finden es auch wichtig, der Mehrheit der unauffälligen und lernbereiten Schüler zu zeigen, dass Fehlverhalten Konsequenzen hat. „Die Klassen fordern das selbst ein.“ Die Maßnahme hat sich ob ihres Erfolgs schon so weit herumgesprochen, dass Kollegen von anderen Schulen hierherkamen, um sie sich anzuschauen. Nachdem die Aufsicht lange mit Lehrkräften besetzt werden konnte, reichen in diesem Schuljahr die Kapazitäten dafür nicht mehr: Einige Kollegen sind in Rente gegangen, junge Lehrerinnen wurden schwanger, mehrere Lehrkräfte sind mit anderen Aufgaben ausgelastet. Daher hat die Schule gezielt externe Kräfte dafür gesucht. Zwei davon wurden kürzlich eingestellt und arbeiten sich nun in ihre Aufgabe ein.