Oliver Rodin spendiert Weißtanne

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge stand Oliver Rodin am Mittwochmorgen auf seinem Grundstück. „Dieser hier soll es sein“, begrüßte der Müritzer die acht Frauen und Männer, die zielsicher den engen Stichweg an der Feisneck zu seinem Haus entlangschritten. Die Blicke wanderten vom Boden aus 15 Meter in die Höhe. Ebenso groß ist die Weißtanne die neben dem schmucken Häuschen steht. „Als wir 2005 hier gebaut haben, war der Baum etwa vier Meter groß. Das er aber derartig in die Höhe schießt hätten wir nicht gedacht“, so Oliver Rodin etwas wehmütig. Schließlich gehörte der Baum über 13 Jahre zum Grundstück und somit zur Familie. Doch der Baum, der gut drei Jahrzehnte unweit der Feisneck seine Wurzeln schlug, forderte immer mehr Raum. „Ja, er war im Sommer ein guter Schattenspender und sieht natürlich sehr gut aus“, schwärmte Rodin. Die ansprechende Optik war schließlich auch der Grund, dass die Familie durch die Stadt angesprochen wurde, ob sie ihren Baum als weihnachtlichen Hingucker für den Neuen Markt spenden wollen. Die Entscheidung hierfür fiel zwar nicht leicht, schien aber einfacher als das Prachtexemplar schadensfrei zu fällen und schließlich abzutransportieren.

Seit vielen Jahren zeigt sich das Warener Unternehmen S&M Bau für den Transport der Weihnachtsbäume in der Müritzstadt verantwortlich. So auch am Mittwoch, als Armin Malow mit seinem Kran und Olaf Wolter mit einem Tieflader anrückten. Letztere durfte gleich um 7:30 Uhr sein fahrerisches Können unter Beweis stellen. Langsam rollte das Gespann über 100 Meter rückwärts in die enge Kapstraße. Wenige Minuten später standen die Reifen planmäßig vor dem Grundstück still. „Das hat schon mal geklappt“, schnappte sich Armin Malow die Fernbedienung für seinen Kran. Sachte fuhr er den Auslieger samt Ketten in die Höhe, wo Carsten Schubel vom Warener Stadtbauhof bereits im Steigerkorb wartet. „Ich weiß ja nicht“, zeigte sich Oliver Rodin noch sehr skeptisch. Die enge Zuwegung war das eine, aber dicht an dicht reihten sich Häuser um die Tanne. „Die Birke sollte auch möglichst stehen bleiben“, seufzte der Weihnachtsbaum-Spender. Mit „Geht nicht, gibt’s nicht“ wirb das Warener Bauunternehmen zwar in ihrem Slogan, doch ob die 15 Meter hohe und über acht Meter breite Abies alba, so der lateinische Name, in naher Zukunft auf dem Marktplatz stehen würde, daran zweifelten mittlerweile auch einige Schaulustige, die sich in sicherer Entfernung postierten.

Dann gab Carsten Schubel grünes Licht: Die Trägerkette liegt an. Mit Bedacht fuhr Armin Malow den Kran etwas in die Höhe. „Sie ist jetzt auf Spannung“, so der Bauarbeiter. Mitarbeiter des Stadtbauhofs sicherten den Baum zusätzlich mit Arbeitsleinen, bis sich schließlich die Motorsäge einen Meter über dem Boden durch den 56 Zentimeter dicken Stamm arbeitet. Nur drei Minuten später schwebte der zukünftige Weihnachtsbaum über der Erde. Voller Konzentration manövrierte Armin Malow erst etwas höher und schließlich am Zaun und der benachbarten Birke vorbei. Dann senkte sich der Stamm im vorderen Bereich des Tiefladers. Zentimeter für Zentimeter rollte der Olaf Wolter nach vorne, während sein Kollege den Baum abließ. Etwas über eine Stunde nach Arbeitsbeginn begrub die Tanne den Lkw-Anhänger unter sich. Die Frauen und Männer des städtischen Bauhofs mussten nochmals einen Meter vom Stamm der Tanne sowie etwas Unterholz absägen. Weitere 60 Minuten dauerte es, bis die Äste zusammengebunden und der Baum schließlich transportfähig war. „Aber erstmal einen heißen Kaffee“, freute sich Oliver Rodin und lud die Frauen und Männer auf ein wärmendes Getränk ein. „Eine Ersatzbepflanzung kommt bereits im nächsten Jahr“, versicherte Rodin zur Verabschiedung, bevor sich der Konvoi auf in Richtung Altstadt machte. Über das Seeufer und die Marktstraße bugsierte sich das Gespann bis zum Haus des Gastes. Nicht wie erst geplant durch die Freiwillige Feuerwehr Waren um 17 Uhr, wurde die Weißtanne durch den Stadtbauhof und Mitarbeiter von S&M Bau aufgerichtet und stand um 11 Uhr sicher auf dem Neuen Markt. „Auf zum nächsten Baum, der steht am Stadtrand“, so Olaf Wolter. Auch hier konnte Dank einer Spende eine prächtige Tanne gewonnen werden. Fällen, Verladen und der Transport klappten erneut ohne Zwischenfälle. Doch am Zielort stockte es. Wie auch auf dem Neuen, wurde der Alte Markt für das Aufstellen des Weihnachtsbaums rechtzeitig und mit mehreren Schildern abgesperrt. Ein Pkw stand dennoch im Halteverbot und das unmittelbar neben der Hülse, die den Baum fassen sollte. Nach einer Stunde vergeblichen Wartens rückte der Abschlepper an. Somit dürfte es, während sich viele über die Warener Weihnachtsbäume freuen, wenigstens einer Person sauer aufstoßen, wenn sie an die Bescherung denkt. In den kommenden Tagen werden die Nadelhölzer festlich geschmückt und sorgen so mit Sicherheit für viele Tage für einen wahren Blickfang. Der Weihnachtsmarkt in Waren (Müritz) lockt vom 13. bis 16. Dezember 2018 zum Neuen Markt.