
Für den Malchower Günter Lachmann ist der Ruhestand ein Unruhestand: Der 82-jährige ehemalige Bootsbauer widmet sich intensiv dem plattdeutschen Kulturerbe. Durch sein Rezitationsprogramm mit Gedichten Rudolf Tarnows ist er über die Inselstadt hinaus bekannt. „Ich lese die Gedichte nicht vor, sondern rezitiere sie auswendig. So kann ich am besten mit meinem Publikum Kontakt halten.“
Günter Lachmann ist Malchower mit Leib und Seele. „Meine Familie ist seit vielen Generationen hier ansässig und ich bin nirgends anders heimisch geworden“, sagt der 82-jährige Malchower, der dort wohnt, wo die Inselstadt schon fast aufhört: in einem einzelnstehenden Haus im Wald an der Landstraße Richtung Petersdorf. „Es liegt so versteckt, dass ich im Sommer, wenn das Haus durch Bäume verdeckt ist, selbst bereits mehrfach fast an der Einfahrt vorbeigefahren wäre“, erzählt er. Aufgrund seiner Heimatliebe kehrte Lachmann, der 1940 in Malchow geboren wurde, auf der Mühlenstraße gegenüber der Tuchmacherei aufwuchs, die lokale Schule besuchte und Bootsbauer lernte, immer wieder an die kleine Stadt am Fleesensee zurück – nach der Armeezeit und nach mehreren Jahren, die er auf einer Jachtwerft und bei Siemens in Berlin verbrachte. Seit seinem Renteneintritt wohnt er mit seiner Lebensgefährtin in dem Haus am Wald.
Die Kultur prägte Günter Lachmanns Leben seit frühester Jugend: Er sang in einem Jugendchor der Freien Deutschen Jugend (FDJ), der Jugendorganisation der DDR, und spielte in einer Laientheatergruppe der Tuchmacherei. Dem Liedgut widmet er sich noch heute, im 1955 gegründeten Röbeler Männerchor. Die wichtigste Konstante für ihn ist aber das Plattdeutsch: „Ich habe Platt sozusagen schon in der Wiege gehört und mich seit den 1950-er Jahren intensiv damit beschäftigt, obwohl das von der Obrigkeit damals nicht erwünscht war.“ Seit er im Ruhestand ist, hat er natürlich mehr Zeit für das plattdeutsche Kulturerbe. So konnte er auch sein Programm zu Rudolf Tarnow entwickeln. „Vor einigen Jahren suchten die Mitarbeiter vom „Kiek in un wunner di“ jemanden, der zu den Alltagsgegenständen dort Erklärungen auf Plattdeutsch geben konnte, weil eine Reportage fürs Radio aufgenommen werden sollte. Ich bot an, zusätzlich eine plattdeutsche Stunde mit den Gedichten Tarnows zu gestalten, die ich mir bereits erschlossen hatte“, berichtet Günter Lachmann. So trat er in der Folge mehrfach in dem Museum auf trug danach sein Gedichtprogramm auch an anderen Orten in der Umgebung vor. Etwa zwanzig Gedichte des Dichters, der 1867 in Parchim geboren wurde und 1933 in Sachsenberg bei Schwerin starb, beherrscht Günter Lachmann auswendig und kann sie ohne große Vorbereitung rezitieren. „Rudolf Tarnow war ein guter Beobachter mit einem Blick für die Geschichten, die der Alltag schreibt. Die Gedichte sind meist humorvoll und haben eine Pointe“, sagt der Plattdeutsch-Experte. Bei den Veranstaltungen legt er eine Liste vor sich hin mit allen Gedichten, die er im Kopf hat, und wählt dann die aus, die zu dem jeweiligen Publikum passen. „Manche Stücke, die ich oft rezitiere, sitzen wahrscheinlich für immer, andere, die ich seltener vortrage, muss ich vorher wiederholen. Das mache ich oft, wenn ich in Ruhe in meinem Garten arbeite.“ Günter Lachmann hat sich absichtlich dafür entschieden zu rezitieren und nicht vorzulesen, damit er besser mit dem Publikum Blickkontakt halten kann. Da nicht alle seiner Gäste Plattdeutsch beherrschen, mischt er auch Passagen auf Hochdeutsch unter. Ebenso trägt er ab und an Werke anderer Dichter vor.
Der Unruheständler steht jedoch nicht nur mit seinem Rezitationsprogramm auf der Bühne, sondern spielt auch gerne Theater. So tritt er demnächst zum Beispiel bei dem vom Kultur- und Sporting e.V. organisierten "Theater am Frauentag", einer von Wolfgang Henkel geschriebenen Provinzposse aus dem Jahr 1923, im Haus des Gastes „Werleburg“ auf. An diesem Ort findet am 21. Februar bereits eine weitere Veranstaltung statt, für die Günter Lachmann gemeinsam mit zwei anderen plattdeutsch-kundigen Malchowern nominiert ist, die „Plappermoehl“. Diese älteste plattdeutsche Radiosendung im Nordosten gibt es seit 1983. Die Moderatoren, derzeit Susanne Bliemel und Thomas Lenz, touren dabei von Schwerin aus durchs Land und besuchen etwa einmal im Monat einzelne Ortschaften, um dort für eine rund Stunde mit Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen. Das lokale Publikum kann die Veranstaltung live erleben, später wird eine bearbeitete Version auf dem Sender NDR 1 ausgestrahlt. „Es werden dazu immer Leute eingeladen, die Platt beherrschen. Demnächst finden die Vorgespräche und die Sprechproben statt“, berichtet Günter Lachmann. Mit der Resonanz in Malchow ist er sehr zufrieden: Stand Anfang Februar sind fast alle der rund 100 Karten verkauft. Das Interesse seiner Heimatstadt am Plattdeutschen ist also da. Sicher auch dank des Engagements von Günter Lachmann.