Ort: Alten Kachelofenfabrik, Sandberg 3a 17235 Neustrelitz
Ausstellung „BE PRESENT CONTINUOUSLY - open studio“mit Arbeiten von Jenya Tschaikovska vom 9. Februar 2024 bis 10. März 2024
Vernissage am Freitag, den 9. Februar 2024 um 19.30 Uhr in der Fabrik.Galerie für gegenwärtige Kunst der Alten Kachelofenfabrik Neustrelitz
Besucht man heute Retrospektiven großer europäischer KünstlerInnen, deren Oeuvre sich über die erste Hälfte des letzten Jahrhunderts streckt, dann sind es meist KünstlerInnenbiografien, die geprägt sind durch Flucht und Emigration. Die Zerrissenheit vor der Flucht und nach der Flucht zwischen der Heimat und dem Woanders sein, die Suche nach der Antwort im künstlerischen Werk auf diese Erfahrungen und die Relevanz des eigenen Werkes im Emigrationsland sind nur einige Aspekte, welche diese Biografien prägten. KunstkennerInnen wissen, dass diese Gräben, welche Kriege, Verfolgung und Vertreibung in das Leben von Menschen reißen, zuweilen Anlass für neue Kunstausrichtungen und Kunstdiskurse werden. Kunstrichtungen, die geprägt sind durch die Suche nach Antworten oder Reaktionen auf die erlebten Grauen, die Angst und die intellektuelle Verzweiflung an der Möglichkeit dieser Kriege, Verfolgung und internationaler Verstrickungen. Gleichwohl ist auch das genaue Gegenteil bei KünstlerInnen häufig der Fall: Losgelöst von den Kontexten in denen spezifische Werke und Inspirationen entstehen, emigriert in einem Land in denen Sprache und Codes sich nach und nach erarbeitet werden müssen, enden zuweilen großartige Künstleroeuvres oder finden keinen Ausdruck der dem Erlebten Ausdruck geben oder gar heilen könnte.
Lange haben wir diese Biografien in den letzten Jahrzehnten retrospektiv in Museen und Galerien betrachtet. Doch seit dem 24. Februar 2022 sind sie spätestens wieder hochaktuell und mitten unter uns in den europäischen Fokus geraten. Mit dem Überfall auf die Ukraine hat Europa nicht nur die schnellste und größte Fluchtbewegung in seiner Geschichte erlebt, sondern gleichwohl realisiert, dass das Konstrukt der EU, das noch 2012 den Friedensnobelpreis bekam, eben kein Garant für Frieden, Demokratie, Versöhnung und Menschenrechte ist. Vielmehr ist es ein Wertekonstrukt, das gleichwohl in dem immer rasanter fortschreitenden Nationalismus der einzelnen europäischen Länder auf der einen Seite und den kriegerischen Handlungen welche auf abstrusen Kriegsgründen fußen, tagtäglich verteidigt werden müssen.
Jenya Tschaikovska lebt nun seit zwei Jahren in Deutschland. Zwei Jahre in denen Tschaikovska mit dieser Neuverortung aus dem urbanen und kulturellen Hotspot Kiev in die mecklenburgische Provinz ringt, - zwei Jahre, in denen die Suche in ihrem künstlerischen Werk sich durch lokale Veränderungen und viele politische und gesellschaftliche Fragen verändert hat. Und auch der Kontext von Ausstellungen, Reflektion ihres künstlerischen Werkes und Kommunikation darüber sich drastisch verschoben hat. Die junge ukrainische Künstlerin mit einem Master of Art in den Bereichen Architektur und Grafik, den sie 2012 an der nationalen Hochschule für Kunst und Architektur in Kiev erworben hat, ist eine begnadete Zeichnerin, Malerin, Grafikerin, aber auch Fotografin und Annimationsfilmerin. In ihren Werken schafft sie es immer wieder BetrachterInnen herauszufordern, zu überraschen und zu erstaunen. So gibt es beispielsweise Werke, in denen einfache Linien jeweils zwei Posen eng umschlungener menschlicher Akte ergeben, doch auf dem Tableau sind die menschlichen Akte so eng aneinandergedrängt, dass sie zum Muster werden. Was sehen wir hier? Diese Frage stellt sich auch bei vielen anderen Bildern.
So gibt es beispielsweise auch gemalte Wolkenbilder, die ihrer Raffinesse an die Wolkendetails der Bilder alter Meister wie Johann Christian Dahl, Carl Spitzweg, Jacob van Ruisdael oder auch Caspar David Friedrich erinnern. Diese Schönheit der Bilder wird aber gebrochen, in dem sie nur bei einem einzigen Bild den naturromantischen Erinnerungseffekt in die heutige Zeit legt: „Hier gehts auch um Politik“ steht in ausgeschnittenen Zeitungsworten auf dem Himmel. Alle weiteren Wolkenbilder von Tschaikovska kann man sodann nicht ohne diese Feststellung lesen. Denn ja, auch unser Himmel ist durchzogen von Kampfflugzeugen, die seit 2 Jahren deutlich häufiger laut tosend über uns hinwegdüsen und die bereits mehrmalig ein russisches Flugzeug ohne Erkennungssignal aus dem deutschen Flugraum hinaus eskortieren mussten. Der Luftraum ist in der Tat inzwischen ein hochpolitischer Raum geworden, auch bei uns in Mecklenburg!
Jenya Tschaikovska schafft es, diese Themen präzise auf den Punkt zu bringen und sie gleichzeitig in einer ästhetisch absolut überzeugenden Weise zu transportieren. Es sind Bilder und auch Installationen, in denen wir die Künstlerin als geistig scharfe Analytikerin der Zeit kennenlernen dürfen, als auch begnadete Künstlerin vor deren Werken man unendlich lange die Schönheiten im Detail betrachten kann.
Bei dieser Ausstellung „Be present continuously - open studio“ beschreitet die Galerie für Gegenwärtige Kunst mit der Künstlerin neues Terrain: Erstmalig werden wir eine sich prozesshaft verändernde Ausstellung zeigen. Jenya Tschaikovska wird vor Ort in der Galerie fast täglich arbeiten. Alle Werke, die zum Eröffnungsabend am Freitag, den 9. Februar zu sehen sein werden, können sich also verändern im Laufe dieser vierwöchigen Ausstellung. Denn all die Pläne, die Jenya Tschaikovska gemacht hatte, haben sich mit dem 24. Februar 2024 abrupt verändert, es geht nun darum anzuknüpfen und all die angefangenen und noch nicht fertig gestellten Bilder, weiter zu bearbeiten im besten Fall fertig zu stellen. Resilienz kann zuweilen auch ein langer persönlicher und sozialer Prozess sein. Dieses offene Studio in der Tschaikovskas präsent sein und vor Ort arbeiten wird, ist die einzige Konstante für diese vier Wochen.
Wir freuen uns sehr mit Jenya Tschaikovska diesen offenen und hoch künstlerischen Prozess begleiten zu können und laden alle Kunstinteressierten am Freitag, den 9. Februar um 19.30 Uhr zu einem Gespräch mit der Künstlerin über den aktuellen Zustand der gezeigten Werke. Bis zum 10. März wird die Künstlerin vor Ort sein und an diesen und neuen Werken arbeiten. Allen Kunstinteressierten, die neugierig auf diese prozessuale Veränderung der Ausstellung sind, können die Künstlerin auch im Laufe dieser Zeit besuchen und einen Blick über die Schulter werfen und das Gespräch vertiefen, das am 9. Februar 2024 begonnen wird. Text: Marieken Matschenz .
Veranstaltungen in Waren (Müritz), Röbel/Müritz, Malchow, Penzlin und Rechlin zwischen Müritz und Fleesensee.
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